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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft
Autoren: Robert Silverberg
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stimmte. Ein blinkendes rotes Licht kündigte ihm an, daß Mortensen aus dem Bereich der Appalachia-Televektoren verschwunden war.
    Giacomin war verwirrt. Mortensen wollte am vierten Mai den Sprung wagen. Und der vierte Mai war noch ein paar Wochen entfernt. Oder war es möglich, daß er den Weg in die Vergangenheit schon früher gemacht hatte?
    Möglich war es schon, überlegte Giacomin. Aber dann war die Vergangenheit geändert worden – oder man hatte sich bei der Aufzeichnung getäuscht. Giacomin leitete eine Untersuchung über Mortensens Verschwinden ein. Der ganze Regierungsapparat wurde mobil gemacht. Kloofman hatte Giacomin persönlich darauf aufmerksam gemacht, daß Mortensen nichts zustoßen dürfte. Und nun schien es, als sei tatsächlich etwas geschehen. Mit Schweiß auf der Stirn überlegte Giacomin, daß er Mortensen wieder herbeischaffen mußte, bevor Kloofman etwas merkte.
    Und kurze Zeit später erfuhr Giacomin, daß er Kloofman doch Bescheid sagen mußte.
    Von Koll aus dem Kriminalsekretariat kam ein Anruf durch. Sein kleines Rattengesicht war gerötet, und er wirkte völlig aufgelöst.
    »Ich habe hier einen Mann, der unbedingt ein Interview mit Kloofman will«, sagte Koll. »Klasse Sieben – nein, Klasse Sechs seit neuestem. Er kommt aus meiner Abteilung.«
    »Er ist verrückt. Kloofman würde ihn nicht empfangen, das wissen Sie ganz genau. Weshalb belästigen Sie mich überhaupt mit solchen Dingen?«
    »Er behauptet, er hätte Mortensen entführt, und er wolle darüber mit jemandem aus Klasse Eins sprechen.«
    Giacomin versteifte sich. Seine Hände begannen zu zittern, und es kostete ihn große Anstrengung, sich wieder zu beruhigen. »Wer ist dieser Wahnsinnige?«
    »Quellen. Er ist Kriminalsekretär. Er ...«
    »Ja, ich kenne ihn. Wann brachte er seine Forderung vor?«
    »Vor zehn Minuten. Zuerst versuchte er Kloofman direkt anzurufen, aber er kam nicht durch. Jetzt macht er es auf dem Amtsweg. Er wandte sich an mich, und ich wende mich an Sie. Was sollte ich sonst tun?«
    »Schon gut«, sagte Giacomin starr. Er überlegte schon, was er diesem Kerl antun könnte. Aber Quellen hatte Mortensen in seiner Gewalt oder behauptete es zumindest. Und Kloofman wurde fast allergisch, wenn man den Namen Mortensen aussprach.
    Aus war der Plan, dem Boß nichts von Mortensens Verschwinden zu erzählen. Er konnte das Interview nicht verhindern. Vielleicht hinauszögern, aber Quellen würde sich durchsetzen.
    »Nun?« fragte Koll. Seine Nasenflügel bebten. »Kann ich die Bitte offiziell an Ihre Abteilung geben?«
    »Ja«, sagte Giacomin. »Ich nehme sie Ihnen ab. Geben Sie mir diesen Quellen.«
    Ein Augenblick verging, und dann erschien Quellen auf dem Bildschirm. Eigentlich wirkte er ganz normal, dachte Giacomin. Ein wenig erschreckt über seine eigene Kühnheit, aber doch normal. Zumindest so normal wie Koll.
    Er war entschlossen. Er wollte Kloofman sprechen. Ja, er hatte Mortensen entführt. Nein, er würde nichts über den Aufenthalt des Mannes verraten. Jeder Versuch, den Entführten aufzuspüren, würde dessen sofortigen Tod zur Folge haben.
    War es ein Bluff? Giacomin wagte es nicht, das Risiko einzugehen. Er sah Quellen mit ruhiger Verwunderung an und meinte: »Schön. Sie bleiben Sieger, Sie Wahnsinniger. Ich gebe Ihre Bitte um Audienz an Kloofman weiter. Mal sehen, was er dazu sagt.«
     
    *
     
    Kloofman hatte schon so lange nicht mehr mit jemandem aus einer niedrigen Klasse gesprochen, daß er gar nicht mehr wußte, wie er sich verhalten sollte. Mitglieder aus Klasse Drei, Vier und sogar Fünf umsorgten ihn, aber selbstverständlich unterhielt er sich nicht mit ihnen. Sie hätten ebensogut Roboter sein können.
    So wartete er mit einiger Neugier auf das Erscheinen von Quellen. Natürlich war er verärgert. Er ließ sich nicht gerne zwingen. Aber Kloofman besaß auch Humor. Seit vielen Jahren hatte niemand einen wunden Punkt in ihm entdeckt. Die unerwartete Krise machte ihm Spaß.
    Und er hatte Angst. Die Leute an den Televektoren konnten Mortensen tatsächlich nirgends entdecken. Ein scheußliches Gefühl. Eine direkte Bedrohung von Kloofmans Macht.
    Die Sonde in seinem Kopf sagte: »Quellen ist hier.«
    »Er soll hereinkommen.«
    Die Wand des Zimmers glitt zurück. Ein schmaler, hagerer Mann trat unsicher ein und blieb vor der riesigen Pneumo-Hängematte stehen, in der Kloofman ruhte. Zwischen Kloofman und Quellen erhob sich ein feiner, fast unsichtbarer Nebel, ein Schirm gegen Attentate, der
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