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Fluch der Unsterblichkeit

Fluch der Unsterblichkeit

Titel: Fluch der Unsterblichkeit
Autoren: Roger Zelazny
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der Zeit gerade eine Landkarte von Afrika in verschiedenen Purpurtönen, das hatte ich dem mutierten Fungus zu verdanken, den ich mir damals von einer modrigen Leinwand geholt hatte, als ich das Guggenheim-Museum für die New Yorker Tournee ausgrub; mein Haaransatz beginnt knapp einen Finger breit über meinen Brauen; meine Augen sind verschiedenfarbig. Ich trage eine Schuhprothese wegen meines kurzen rechten Beines.
    Allerdings hat Kassandra Kontrast gar nicht nötig. Sie ist ganz einfach schön.
    Ich traf sie durch Zufall, verfolgte sie verzweifelt und heiratete sie gegen meinen Willen. Ich selbst dachte nicht wirklich daran – noch nicht einmal an jenem Tag, als ich meinen Kaik in den Hafen steuerte und sie dort liegen und sich sonnen sah, wie eine Seejungfrau neben der Platane des Hippokrates, und ich feststellte, daß ich sie begehrte. Kallikanzaroi waren noch nie sehr willige Ehemänner. Ich bin nur irgendwie wieder mal in die Geschichte hineingestolpert.
    Es war ein klarer Morgen. Mit ihm begann unser dritter gemeinsamer Monat. Und es war mein letzter Tag auf Kos – denn am Abend zuvor hatte ich einen Anruf erhalten. Alles war noch feucht vom Regen der Nacht, und wir saßen im Patio, tranken kafetháki und aßen Orangen. Der Tag begann seinen Weg in die Welt.
    »Rhododaktylos Eos ...«, sagte sie und deutete hinaus.
    »Ja«, sagte ich und nickte, »der Morgen hat wirklich Rosenfinger, es ist hübsch.«
    »Laß es uns genießen.«
    Wir tranken den Kaffee aus, rauchten.
    »Ich fühle mich beschissen«, sagte ich. »Ich muß jetzt weg und dich hier zurücklassen, und das ist einfach beschissen.«
    »Vielleicht ist es ja nur für ein paar Wochen. Das hast du doch selbst gesagt. Und dann bist du wieder hier.«
    »Hoffentlich«, sagte ich. »Aber falls es tatsächlichlänger dauern sollte, dann lasse ich dich nachkommen. Weiß noch nicht, wo ich überall herumziehn werde.«
    »Wer ist Cort Myshtigo?«
    »Schauspieler und Journalist von der Wega. Wichtiger Mann. Er möchte darüber schreiben, was von der Erde noch übrig ist. Also muß ich's ihm zeigen. Ich. Höchstpersönlich. Verdammte Scheiße!«
    »Jemand, der zehn Monate auf Urlaub geht, um zu segeln, kann sich nicht beklagen, daß er überarbeitet ist.«
    » Ich kann mich beklagen – und ich werde es tun. Meine Arbeit ist als Sinekure gedacht.«
    »Warum?«
    »Ich habe zwanzig Jahre lang hart geschuftet, um ›Kunst, Monumente und Archive‹ zu dem zu machen, was es heute ist, und seit zehn Jahren bin ich schließlich soweit, daß mein Stab nahezu alles selbständig erledigen kann. Also habe ich mich auf die grüne Weide schicken lassen. Ich habe es so arrangiert, daß man mich gelegentlich zurückrief, um Dokumente zu unterzeichnen, und in der übrigen Zeit konnte ich tun, was mir Spaß machte. Und jetzt das! Ein Kommissar muß für einen Schmierfinken von der Wega Reiseleiter auf einer Tour spielen, die jeder Reiseführer vom Stab erledigen könnte! Weganer sind doch keine Götter!«
    »Moment mal, bitte«, sagte sie. »Zwanzig Jahre? Zehn Jahre?«
    Plötzlich das Gefühl, ich stürze.
    »Du bist doch noch nicht mal dreißig.«
    Ich sank noch tiefer. Ich wartete. Ich kam wieder hoch.
    »Hm – also, ich bin nie dazu gekommen, es dir zu sagen ... Wie alt bist du übrigens, Kassandra?«
    »Zwanzig.«
    »Hm. Nun ... ich bin ungefähr viermal so alt wie du.«
    »Das versteh' ich nicht.«
    »Ich versteh' es auch nicht. Und die Ärzte ebensowenig. Ich hab' einfach irgendwie aufgehört, irgendwann zwischen zwanzig und dreißig, und bin so geblieben. Ich vermute, das ist ein Teil meiner besonderen Mutation, vermute ich jedenfalls. Ändert sich dadurch irgendwas?«
    »Ich weiß nicht ... Doch, ja.«
    »Du hast doch nichts gegen mein Hinken oder gegen meine außergewöhnliche Behaarung, selbst mein Gesicht stört dich nicht. Warum sollte dich mein Alter stören? Ich bin jung, jedenfalls in allen nötigen Bereichen.«
    »Es ist aber jetzt nicht mehr das gleiche«, sagte sie mit unbestreitbarer Endgültigkeit. »Was passiert, wenn du niemals alt wirst?«
    Ich biß mir auf die Lippen. »Früher oder später muß ich ja wohl.«
    »Und was ist, wenn es später ist? Ich liebe dich. Ich will nicht vor dir alt werden.«
    »Du wirst gute hundertfünfzig werden. Es gibt die S-S-Behandlungen. Und du wirst sie bekommen.«
    »Aber sie werden mich nicht jung erhalten – wie du es bist.«
    Sie begann zu weinen.
    »Aber das ist doch noch unendlich viele Jahre weit weg«, sagte ich
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