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Florian und das Geisterhaus

Florian und das Geisterhaus

Titel: Florian und das Geisterhaus
Autoren: Oliver Hassencamp
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Schlafanzug.
    Das Licht flammte im Badezimmer auf — der Schalter befand sich ja draußen. Florian war so geblendet, daß er zunächst überhaupt nichts sah. Doch gerade das machte seinen Auftritt besonders glaubhaft. Er hörte nur das Türschloß klappen und einen tiefen Schrei von Tante Lene. Unsicher, mit zusammengekniffenen Augen, das Kissen als Prellbock, stapfte er vorwärts, als komme er geradewegs vom Dach herein.

    Mit einem Arm streifte er die Tür, mit dem anderen die Tante, die vor Aufregung hustete, und ohne seine Schritte zu beschleunigen, wackelte er über den Flur in sein Zimmer, ließ die Tür, wie sie war, kroch ins Bett und kuschelte sich so ins Kissen, daß er hinter einem Zipfel unbemerkt herausblinzeln konnte.
    Es dauerte nicht lange, da erschien Tante Lene auf Zehenspitzen. Sie betrachtete ihn besorgt, schüttelte den Kopf, schloß leise die Tür und begab sich zurück ins Bad, wo er sie ausdauernd husten hörte.
    Das war der erste Streich! freute sich der erfolgreiche Schlafwandler, streckte sich und fiel im Nu in tiefen Schlummer, aus dem er erst vier Stunden später erwachte.
    Jetzt hab ich doch noch ausgeschlafen! dachte Florian. Mit vergnügtem Summen und großem Wassergeplätscher machte er sich bemerkbar. Doch von der Zigarillowitwe war nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu riechen. Als er zum Frühstück hinunterging, fand er sie in einem Sessel vor der Bücherwand, mit einem dicken Buch auf dem Schoß. „Morgen, Tante. Hab prima geschlafen!“ verkündete er. „Was liest du denn schon so früh?“ Prüfend sah sie ihn an. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Deinetwegen.“
    „Warum denn das?“ Florian lächelte möglichst unschuldig, zog es dann doch vor, ihrem Blick auszuweichen, indem er neben sie trat und in dem Buch dort zu lesen begann, wo sie mit dem Finger die Seite festhielt. „Schlafwandeln. Das Ausfuhren zum Teil wohlkoordinierter Handlungen (wie Aufstehen, Herumlaufen) während des Schlafs; der Betroffene kann sich nach dem Aufwachen nicht mehr daran erinnern. Schlafwandeln beruht im wesentlichen auf einer gestörten Weckreaktion infolge unsynchronisierten Ablaufens der Schlaf- und Wachzustände und ist besonders bei Kindern und Jugendlichen, sowie bei Neurotikern anzutreffen. Ein Zusammenhang mit dem Mondschein ist nicht nachweisbar.“
    Bei Jugendlichen anzutreffen! Ist ja eine Klasse-Entschuldigung! freute er sich und fragte mit überzeugend gespieltem Befremden: „Aber Tante! Seit wann interessierst du dich denn für Phänomene dieser Art?“
    Ernst wackelte sie mit dem Kopf. „Seit du mir heute morgen begegnet bist. Als Schlafwandler!“
    „Ich?“ wunderte sich Florian, daß er sich wunderte, sich so täuschend echt wundern zu können.
    „Mir blieb schier das Herz stehen“, sagte die Tante mit zitternder Stimme. „Du kamst vom Dach herein ins Badezimmer, dein Kissen im Arm und gingst an mir vorbei, ohne mich wahrzunehmen. Zum Glück wußte ich, daß man Schlafwandler nicht ansprechen darf. Aber ich habe mir größte Sorgen gemacht und mache sie mir noch. Als vor einer Stunde deine Mutter anrief — sie sind in Rom und fahren morgen weiter — , hatte ich nicht den Mut, es ihr zu sagen...“
    Jetzt nachhaken! kombinierte Florian und tat so, als sei ihm gerade ein Licht aufgegangen. „Nun ist mir alles klar! Ich hab von Tante Thekla geträumt, daß ich mit ihr eine Astralreise mache, ohne Körper, weißt du. Da kann’s natürlich passieren, daß meine schlafende Hülle ein bißchen hinterhermarschiert ist. So was kommt vor...“
    Sekundenlang war Tante Lene sprachlos. „Wie... wie kannst du über diese Dinge so sprechen?“ fragte sie schließlich.
    Florian lächelte bescheiden. „Diese Dinge, wie du sagst, sind für mich ganz natürlich. Ich habe eine sensitive Begabung, mußt du wissen. Ich habe mit Tante Thekla schon mal eine Astralreise gemacht. Sehr lustig ist das! Wo du dich hindenkst, bist du auch schon. Du hörst, was die Leute reden und weißt, was sie in Wirklichkeit denken...“
    „Hör auf!“ wehrte Tante Lene ab und nahm sich zur Beruhigung einen Zigarillo aus der Schatulle. „Mit dieser Geisterwirtschaft will ich nichts zu tun haben!“
    Florian lachte. „Geister lassen sich keine Vorschriften machen. Die sind überall. Vielleicht ist das Haus gerade voll mit Astralreisenden? Tante Thekla könnte uns das genau sagen
    „Schluß jetzt! Endgültig!“ Zehn gespreizte Finger streckten sich ihm entgegen.
    Florian war das recht. So
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