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Florentinerpakt

Florentinerpakt

Titel: Florentinerpakt
Autoren: Gmeiner Verlag
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denn das nicht
warten?«
    »Nein, Hans«, stellte Frau
Enigler mit jetzt wieder fester Stimme fest. »Das kann nicht warten. Wir haben
hier heraußen einen Banküberfall, und man wünscht dich zu sprechen. Also komm
bitte heraus. Und das sofort, ehe noch etwas passiert.« Sie legte auf, ohne die
Reaktion Garbers abzuwarten. »Der Chef kommt gleich«, informierte sie dann auch
den bösen Weihnachtsmann.
    Kurz danach öffnete sich die Türe des Direktionsbüros, Garber
betrat den Schalterraum und ging mit versteinerter Miene langsam auf den
Schreibtisch Frau Eniglers zu. Er blieb zunächst vor dem in seiner
weihnachtlichen Kostümierung absolut harmlos wirkenden Verbrecher stehen und
blickte ihn an. »Was wollen Sie von mir?«, flüsterte Garber. Gleichzeitig
versuchte er, durch die vorsichtige, möglichst unauffällige Veränderung seines
Standortes den Weihnachtsmann dazu zu veranlassen, sich umzudrehen und mit dem
Rücken zum Direktionsbüro zum Stehen zu kommen.
    »Was werde ich schon von
Ihnen wollen«, flüsterte Santa Claus zurück, der plötzlich völlig akzentfreies
Deutsch sprach. »Geld natürlich. Füllen Sie die beiden«, er holte zwei
Plastiktaschen einer großen Supermarktkette heraus und reichte sie dem Banker,
»Sackerln mit Fünfzigern und Hundertern, aber nicht zu knapp. Vor allem aber
unauffällig aus dem Tresorraum. Und das Ganze ein bisschen dalli, wenn ich bitten
darf.«
    In diesem Moment öffnete sich die Türe zu Garbers Büro
neuerlich, und Inspektor Musch erschien, seine Dienstwaffe im Anschlag.
»Polizei, Hände hoch und keine falsche Bewegung!«, brüllte er.
    Der überraschte Weihnachtsmann wollte jetzt zwei Dinge gleichzeitig
tun. Erstens seine Waffe aus der Jackentasche ziehen und zweitens Garbers
Körper als Schutzschild zwischen sich und das Polizistenschwein bringen, das er
zudem nicht sofort sehen und dessen genaue Position er daher nur erahnen
konnte.
    Das mit dem Pistolenziehen gelang dem Verbrecher noch so
einigermaßen. Aber Garber, der sehr, sehr zornig wegen der bisherigen
Entwicklung des Tages war, und dabei war es erst kurz vor 10.30 Uhr,
dachte nicht daran, sich einfach zum Kugelfang degradieren zu lassen. Da ließ
er sich schon lieber einfach zu Boden fallen und spielte ›Toter Mann‹.
    Der Weihnachtsmann versuchte noch, Garber am Sakko zu
erwischen. Dabei musste er sich wohl ein wenig gebückt und gleichzeitig auch
etwas zur Seite gedreht haben. Denn der für die Schulter des rechten Armes
bestimmte Schuss aus Muschs Revolver traf den Mann exakt in den Kopf.
    Während der eine Weihnachtsmann wie ein gefällter Baum zu
Boden stürzte und beim Aufprall bereits tot war, nutzte der zweite das
einsetzende Chaos und verließ fluchtartig die Bank. Als die beiden
Kriminalbeamten wenige Sekunden später die Straße erreichten, war dieser
Repräsentant der schönsten Zeit des Jahres schon verschwunden. Daran sollte
auch die sofort eingeleitete Alarmfahndung nichts ändern, obwohl insgesamt 17
Vertreter des Geschäfts mit Weihnachten vorläufig festgenommen werden sollten.

     
    *

     
    Palinski hätte den Zahnarzt fast nicht erkannt.
Nicht, dass er Dr. Rossbach besonders gut gekannt hätte. Nein, bis auf einige
zufällige Begegnungen im Hof und die damit verbundenen unverbindlichen
Höflichkeitsfloskeln hatte er den Mann nie zuvor gesehen und nur ein einziges
Mal gesprochen. Und das gestern am Telefon.
    In seiner Erinnerung war der Doktor aber ein eher großer,
freundlich und gleichzeitig stolz wirkender Mann, der nichts mit der ängstlich
in einer Nische des Cafés ›Kaiser‹ versteckten Person zu tun hatte. Die rot
geäderten, mit dunklen Ringen unterlegten Augen, der müde und gleichzeitig
gehetzt wirkende Blick und ein mindestens drei Tage alter Bart auf dem sonst
immer makellos rasierten Kinn sprachen eine deutliche Sprache. Es hätte gar
nicht des nicht mehr ganz frischen Hemds und des zerknitterten Anzugs bedurft,
um zu erkennen, dass es Dr. Rossbach schlecht ging. Und das war noch freundlich
übertrieben. Der Mann sah einfach zum Kotzen aus, fand Palinski.
    »Gott sei Dank, dass Sie da sind«, meinte der Arzt statt
einer Begrüßung. »Ich fürchte, ich bin schon ein wenig paranoid. Aber seit
gestern habe ich ständig das Gefühl, beobachtet zu werden. Es ist schrecklich.«
    »Nachdem, was Ihnen widerfahren ist, wäre das auch kein
Wunder«, räumte Palinski ein. »Ich meine damit nicht, dass Sie beobachtet
werden,
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