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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst
Autoren: Brenda Novak
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seinen Rücken, als er ihr Bein umschlang.
    “Was ist denn, Mommy?” Ein Funke Angst glomm in Dominicks Augen.
    Rasch legte sie einen Finger auf die Lippen. Sie wollte nicht, dass Manuel mithörte.
    “Ich werde es Juanita ausrichten”, sagte sie ins Telefon.
    “Außerdem brauche ich die Anzüge, die du in die Reinigung gebracht hast”, fügte er hinzu. “Kannst du sie abholen, wenn du unterwegs bist?”
    Sie spürte, wie sie wieder in den alten Trott geriet. “Natürlich.”
    “Vielen Dank. Du bist eine wunderbare Ehefrau.”
    “Ich bin nicht deine Ehefrau.”
    “Was mich betrifft, bist du das sehr wohl. Nicht alle Männer können sich so glücklich schätzen.”
    Ein heftiger Widerwille breitete sich in Vanessa aus, als sie dieses verlogene Lob hörte. Er glaubte tatsächlich, solche Komplimente machten sie glücklich. Wirklich glücklich wäre sie gewesen, wenn er ihr vertraut hätte, wenn er sie gegenüber seiner Familie verteidigt und geheiratet hätte. Aber er hatte sie nie wie eine Gleichrangige behandelt, sondern immer nur wie sein persönliches Eigentum.
    “Wie soll ich die Reinigung denn bezahlen?”, fragte sie. Sie wusste, dass er diese Frage erwartete. Zwar wohnten sie auf einem großzügigen Anwesen, aber Manuel war schrecklich geizig. Daher dauerte es auch zwei Jahre, bis Vanessa das Geld zusammengespart hatte, mit dem Carlos jetzt das Auto gekauft hatte. Den Betrag hatte sie nur ansammeln können, indem sie immer wieder kleinere Einkäufe zurückgab. Sogar Lebensmittel hatte sie gelegentlich wieder weggebracht, wenn sie sicher war, dass Manuel es nicht merkte. Das Geld versteckte sie oben auf dem Dachboden in einer Mauerspalte.
    “Ich kann ja die Bank anrufen, damit sie dir einen zusätzlichen Hunderter aufs Konto überweist”, sagte er.
    “Super.” Sie verzog das Gesicht. Auch das war typisch. Er weigerte sich, ihr regelmäßig Geld zu geben. Stattdessen wartete er ab, bis sie etwas brauchte. Dann rief er die Bank an und ließ den entsprechenden Betrag überweisen. Einhundert Dollar würden für die Rechnung bei der Reinigung kaum reichen. Der schlanke, durchtrainierte Manuel trug ja stets nur die feinsten maßgeschneiderten Anzüge.
    “Vielen Dank,
querida”
, sagte er. “Und was hast du sonst noch für Pläne heute? Und wie geht es meinem kleinen
hijito?”
    Sie schaute ihren Sohn an. Dominick glich seinem Vater überhaupt nicht, sondern eher Vanessas jüngerem Bruder, den sie im gleichen Jahr verloren hatte, als sie zu Manuel zog. Dominick war recht groß für sein Alter, hatte flachsblonde Haare, grüne Augen und eine zarte goldfarbene Haut.
    “Er steht hier neben mir. Wir wollen zusammen einkaufen gehen.”
    “Er soll etwas lesen, Vanessa. Du weißt doch, ich möchte, dass er lesen lernt.”
    “Wir lesen, wenn wir zurück sind.”
    “Ich überweise das Geld auf die Kreditkarte, die ich Juanita gegeben habe. Sie kann doch die Einkäufe erledigen und die Sachen aus der Reinigung abholen. Ich verstehe gar nicht, warum du dich mit solchen Kleinigkeiten befasst.”
    Vielleicht, weil ich sonst nichts zu tun habe.
    Wenn es nach Manuel ginge, würde sie sich ausschließlich Dominick widmen. Vanessa fand allerdings, dass das Leben ihr mehr bieten sollte. Es genügte ihr nicht, sich nur mit dem Kind zu beschäftigen. Außerdem wollte sie den Jungen nicht pausenlos kontrollieren. Dominick sollte nicht unter der gleichen Überwachung leiden wie sie.
    “Ich komme gern mal raus”, sagte sie.
Wenn du wüsstest, wie sehr es mich genau in diesem Augenblick drängt, fortzugehen.
“Es tut mir gut.”
    “Das sagst du immer.”
    Sie musste unbedingt weg hier. Sofort. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit ertrug sie keinen Tag länger.
    “Aber heute … heute hast du recht”, lenkte sie ein. “Ich habe Kopfschmerzen. Vielleicht ist es doch das Beste, wenn du das Geld auf Juanitas Kreditkarte überweist. Sie kann Dominick mitnehmen, und ich kann mich noch ein wenig ausruhen.”
    “Gut.”
    “Wir sehen uns dann heute Abend”, sagte sie. Keine Sekunde länger würde sie dieses Telefonat ertragen können. Sie spürte die Tränen in ihren Augenwinkeln. Tränen der Enttäuschung und der Bitterkeit über diesen Mann, der sie absichtlich von ihren Freunden und ihrer Familie fernhielt.
    Immerhin ahnte er nicht, was sie heute noch vorhatte. Sonst hätte er sie bestimmt darauf angesprochen.
    “
Te amo”
, sagte er.
    Sie konnte diese zwei Worte nicht mehr in den Mund nehmen. Das gelang ihr schon seit
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