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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst
Autoren: Brenda Novak
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ein paar Sachen erledigen muss.”
    “Du hast das Haus nicht verlassen.”
    Eiskalt rieselte ein Schauer über Vanessas Rücken. “Woher weißt du das?”
    “Ich hab’s erraten.”
    Aus irgendeinem Grund wusste er immer, wo sie war. Sie hatte jeden Quadratzentimeter des Hauses abgesucht, aber nirgends Anzeichen für eine Abhöranlage oder eine Videokamera gefunden. Also musste er jemanden engagiert haben, der sie überwachte. Was bedeutete, dass Juanita für die Durchführung ihres Plans absolut unerlässlich war.
    Dominick fing wieder an zu malen. Vorsichtig ging Vanessa zur Spüle und sah aus dem Küchenfenster. Es war ein wunderschöner Sommertag, aber zum millionsten Mal fragte sie sich, wer dort draußen auf sie lauerte.
    “Warum hast du nicht abgenommen?”, drängte Manuel.
    “Ich war …” Sie musste schlucken, um ihre trockene Kehle anzufeuchten. “… im Badezimmer.”
    “Ich hab da doch ein Telefon anbringen lassen, weißt du das nicht mehr? Zu deiner Bequemlichkeit.”
    Bestimmt nicht zu ihrer Bequemlichkeit. Wohl eher, damit sie nicht einmal im Badezimmer vor ihm sicher war. “Ich möchte nicht telefonieren, wenn ich im Badezimmer bin”, sagte sie. “Ich habe den Apparat da noch nie benutzt. Das weißt du doch, oder?”
    Er lachte leise vor sich hin. “
Querida
, du bist wirklich sehr störrisch.”
    Manuel ahnte nichts. Aber er würde es bald herausfinden – wenn Juanita nur endlich käme.
    “Warum rufst du denn an?”
    “Weil ich mich gern um dich kümmere.”
    Um sie kümmern? Wie fürsorglich! Schon lange ertrug Vanessa den Klang von Manuels Stimme kaum noch und seine scheinheilige Art erst recht nicht. Als sie sich kennenlernten war sie zweiundzwanzig und hatte gerade ihr Lehrerstudium abgeschlossen. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren wirkte er damals älter, überlegener, sehr energisch und ambitioniert – aber eben auch liebevoll und freundlich
. Wie schnell die Dinge sich doch ändern können …
    Vielleicht hatte sie ihn ja nie wirklich kennengelernt. Manuel verstand es ausgezeichnet, sich an seine jeweilige Umgebung anzupassen. Hatte er ihr damals, am Beginn ihrer Beziehung, nur etwas vorgespielt? Wie auch immer, inzwischen jedenfalls erkannte sie ihn nicht wieder. Seine dunklen Augen, deren Farbe sie einst an geschmolzene Schokolade erinnert hatte, starrten sie nur noch besitzergreifend an. Er wirkte geradezu besessen, und das machte ihr Angst. Heute kämmte er sich das dichte schwarze Haar, das sie einst so geliebt hatte, streng zurück. Dadurch wirkte er gleichermaßen angespannt wie überempfindlich.
    Sie holte tief Luft und zwang sich zur nächsten Frage: “Fliegst du denn nicht nach Mexiko heute?”
    “Die Reise wurde verschoben.”
    Nein! Bitte nicht so kurz vor dem Ziel!
“Auf wann?” Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie kaum ein Wort herausbekam.
    “Ach komm,
mi amor.
Du musst dich doch nicht mit meinen beruflichen Problemen herumschlagen.”
    Er wich aus. Das war typisch für ihn. Genau wie der gönnerhafte Ton in seiner Stimme. Er wollte nicht, dass sie seinen Terminkalender kannte, außer wenn es darum ging, ihr seine Abreise erst einen Abend zuvor mitzuteilen, was er gern tat.
    Aber Juanita war immer noch nicht da, und Manuel hatte ihr nicht gesagt, warum seine Reise verschoben worden war. Ahnte er, dass sie ihn verlassen wollte?
    “Kommst du zum Abendessen nach Hause?”, fragte sie.
    “Natürlich. Ich verbringe gern die Abende mit dir, wenn meine Zeit es erlaubt.”
    Vanessa packte plötzlich kalte Wut. Sollte sie ihre Flucht etwa bis zu seiner nächsten Mexikoreise aufschieben? Das große Wagnis konnte sie nur eingehen, wenn Manuel möglichst weit von zu Hause entfernt war. Sie brauchten einen Vorsprung. Aber es war doch alles vorbereitet. Wenn sie jetzt bliebe, bedeutete das, weitere Nächte unter Manuel zu leiden. Manuel verspürte einen unstillbaren Hunger nach ihr. Immer wieder verlangte er, dass sie seine Lust auf neue Weise befriedigte.
    “Vielleicht kannst du ja Juanita sagen, dass ich heute Lust auf ein
menudo
habe”, sagte er.
    Schon allein die Aussicht auf ein weiteres, endlos langes Abendessen mit ihm machte Vanessa krank.
    Sie starrte auf die Brandwunde an ihrem Handgelenk. Erst vor vier Tagen hatte Manuel sie dort mit einer Zigarette verbrannt. Als eine der kleinen Bestrafungen, die er sich immer wieder ausdachte, wenn sie nicht gehorchte.
    Ihr Sohn kam um den Küchentresen gelaufen. Hastig verbarg sie die Wunde vor ihm und streichelte
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