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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst
Autoren: Brenda Novak
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kam es ihr vor wie ein Symbol der Freiheit, nach der sie sich schon so lange sehnte. Am liebsten wäre sie hingerannt, um mit quietschenden Reifen davonzurasen. Aber sie zwang sich langsam zu gehen, genau wie Juanita. Gleich wäre sie verschwunden. Und dann gäbe es keine Vanessa Beacon mehr.
    Sie würde sich in Emma Wright verwandeln und Dominick in Max.

2. KAPITEL
    “E mma, Emma, Emma”, sang sie vor sich hin, um sich an den neuen Namen zu gewöhnen. Sie hielt das Lenkrad fest in den Händen, denn nach sechs Stunden Fahrt auf der Schnellstraße spürte sie, wie sie müde wurde. Doch sie wollte einen möglichst großen Abstand zwischen sich und ihr früheres Leben bringen. Noch immer fürchtete sie, Manuel könnte schon kurz nach ihrer Abfahrt herausgefunden haben, dass sie geflüchtet war. Daher fuhr sie sehr schnell und sah immer wieder in den Rückspiegel.
    Ein kleiner roter Toyota folgte ihr schon seit längerer Zeit. War das ein Grund zur Beunruhigung? Die Schnellstraße führte sie mitten durch Kalifornien, an vielen kleinen hübschen Orten vorbei. Sie wurde vor allem von Leuten benutzt, die weitere Strecken fuhren. Dass ein ganz bestimmtes Auto schon längere Zeit hinter ihr her fuhr, musste überhaupt nichts bedeuten. Allerdings war ihr bislang kein anderer Wagen aufgefallen, der so lange in ihrer Nähe geblieben war. Immer wieder überholte sie jemand, oder sie überholte selbst jemanden, aber alle Autos verschwanden irgendwann aus ihrem Blickfeld.
    “Mommy, ich möchte nach Hause”, klagte Dominick – der jetzt Max hieß – auf dem Rücksitz. Das aufregende Spiel mit der erfundenen Identität langweilte ihn längst. Seit Stunden schon fragte er, ob er nicht endlich aussteigen dürfe. Sie hatte einen kurzen Zwischenstopp in Los Angeles eingelegt, ihm etwas zu essen gegeben, sein Blut getestet und ihm das Insulin gegeben. Aber es widerstrebte Vanessa, schon wieder anzuhalten. Die Zeit war knapp. Und obwohl sie spürte, dass sie der ersehnten Freiheit ganz nah war, fürchtete sie gleichzeitig, sich zu früh in Sicherheit zu wiegen. “Tut mir leid, Liebling. Aber ich kann jetzt noch nicht anhalten.”
    “Aber warum denn nicht?”, fragte er, während er an der Kette zerrte, an der sein neuer Name und alle wichtigen medizinischen Informationen über ihn auf einem Schild baumelten.
    Emma sah wieder nach dem roten Toyota. Zwei Personen saßen darin, zwei Männer. Weder den einen noch den anderen hatte sie je zuvor gesehen. Aber das musste nichts heißen, sie könnten trotzdem eine Gefahr darstellen. Vielleicht hatten diese beiden ihr Haus beobachtet und sich von ihrer Verkleidung nicht an der Nase herumführen lassen. Oder Juanita durch das Küchenfenster gesehen, kurz nachdem sie losgefahren war …
    “Mommy?”, fing Max wieder an, weil er keine Antwort bekommen hatte. “Wann fahren wir wieder nach Hause?”
    Ein Blick auf den Tacho verriet ihr, dass sie immer schneller fuhr. “Wir fahren nicht nach Hause.” Im Rückspiegel sah sie, wie Max erneut nach der Kette griff.
    “Nie mehr?”
    Emma wollte nicht mit ihrem Sohn darüber diskutieren, was ‘nie mehr’ und ‘für immer’ womöglich bedeuten könnte. Außerdem wusste sie ja ohnehin nicht, was sie noch erwartete.
    “Jedenfalls für eine ganze Weile nicht”, sagte sie schließlich.
    “Und was ist mit Daddy?”
    “Was soll denn mit ihm sein?”
    Voll und ganz damit beschäftigt, den Toyota zu beobachten, schaffte sie es nicht mehr, sich auf Dominicks Fragen zu konzentrieren. Achtung – auf die Fragen von Max, korrigierte sie sich sofort. Es wurde Zeit, dass sie sich an den neuen Namen gewöhnte. Aber sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Ständig lenkte der andere Wagen sie ab. Fuhren diese Männer jetzt schon ungewöhnlich lange hinter ihr, oder nicht? Hatte sie die beiden vielleicht doch schon mal irgendwo gesehen?
    “Kommt Daddy denn nicht mit?”
    “Nein, er ist in Mexiko”, erwiderte sie und hoffte, dass der Junge diese Antwort akzeptieren würde. Wenn er auf diese Antwort so wie immer reagierte, dann käme die nächste Frage nach seinem Vater erst in ein paar Tagen, vielleicht sogar erst in ein paar Wochen. So würden schließlich Monate vergehen, in denen Max sich an sein neues vaterloses Leben gewöhnen und das alte vergessen könnte. Sicher wäre es nicht leicht für ihn, aber mit der Zeit käme er darüber hinweg.
    “Wird Daddy nicht böse, wenn wir einfach ohne ihn in die Ferien fahren? Er mag es doch nicht, wenn wir
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