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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst
Autoren: Brenda Novak
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seitdem oft, noch mal hinzufahren.
    “Darf ich Ihren Führerschein sehen?”
    Sie reichte ihm das Dokument und sandte gleichzeitig ein stilles Gebet gen Himmel.
    “Ist die angegebene Adresse richtig?”
    “Ja. Stimmt denn etwas nicht?”
    “Na ja, Sie sind zu schnell gefahren. Über 130 Stundenkilometer, Frau –”, wieder warf er einen Blick in den Führerschein, “… Beacon.”
    “Oh, das tut mir leid. Mein Sohn hat Diabetes, und wir haben es eilig, in die nächste Stadt zu kommen. Er muss dringend etwas essen.” Wenn Max sich jetzt nur nicht an all die kleinen Snacks erinnerte, die sie ihm zugesteckt hatte. Sie hasste es zu lügen, vor allem wenn ihr Sohn dabei war, aber wenn sie es nicht tat, wäre ihre Flucht womöglich schon innerhalb der nächsten paar Minuten beendet. Sie drehte sich um. Max widersprach nicht. Offenbar glaubte er wirklich, dass es sich nur um ein Spiel handelte.
    “Was braucht er denn?”, fragte der Polizist.
    “Fünfzehn Gramm Kohlehydrate, aber die braucht er sehr bald, sonst bekommt er einen Insulinschock. Wir wissen das erst seit kurzem, deshalb bin ich noch nicht richtig vorbereitet. Sonst hätte ich uns bei unserem Zwischenstopp in Los Angeles etwas gekauft. Aber da habe ich nur ans Mittagessen gedacht und ganz vergessen, etwas für den Notfall zu besorgen. Während der Fahrt habe ich plötzlich angefangen, mir Sorgen zu machen – und nicht mehr auf die Geschwindigkeit geachtet.”
    Sie warf einen Blick in den Rückspiegel auf Max. Hoffentlich hielt er jetzt den Mund. Aber er tat es nicht! Ihr Magen krampfte sich zusammen.
    “Muss ich denn was essen?”, fragte der Junge.
    “Ja, Liebling. Du hast dein Mittagessen nicht aufgegessen.” Das entsprach sogar halbwegs der Wahrheit.
    Der Polizist schien sich etwas zu entspannen. Aber noch gab er ihr den Führerschein nicht zurück. “Ich lasse sie sofort weiterfahren, wenn alles Nötige erledigt ist”, sagte er. “Darf ich bitte mal die Fahrzeugpapiere sehen?”
    “Ich sagte Ihnen doch, dass ich es eilig habe!” Sie musste sich nicht sehr darum bemühen, panisch zu klingen. “Können Sie mir nicht einfach bis in die nächste Stadt folgen?”
    Der Polizist warf Max einen prüfenden Blick zu. “Ich habe bestimmt etwas zu essen in meinem Wagen. Davon gebe Ihnen etwas, bevor Sie losfahren. Im Augenblick scheint es ihm doch noch ganz gut zu gehen.”
    Emma sah ihren Sohn an, der einen überaus aufgeweckten und gesunden Eindruck machte.
    Mist!
Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren.
    Nervös durchsuchte sie das Handschuhfach, völlig im Unklaren, was sie dort wohl finden würde. Schließlich fiel ihr tatsächlich ein Fahrzeugschein in die Hände. Außerdem lag da noch ein zugeklebter Briefumschlag mit ihrem Namen darauf. Was sich darin verbarg, war ihr völlig schleierhaft. Aber es wäre wohl besser, ihn erstmal nicht zu öffnen. Sie legte den Umschlag zurück ins Handschuhfach und reichte dem Beamten den Fahrzeugschein.
    Er warf einen kurzen Blick darauf. “Der Wagen gehört also einer Frau Maria Gomez?”
    Darauf wusste Emma keine Antwort. Sie konnte nur hoffen, dass der Wagen bislang noch nicht als gestohlen gemeldet worden war. “Ja”, sagte sie, “Maria ist eine Freundin von mir.”
    “Einen Moment bitte.” Der Polizist ging zu seinem Streifenwagen zurück. Im Seitenspiegel sah sie seinen Kopf und seine Schultern, als er sich hinter das Steuer setzte. Die Tür ließ er offen und so konnte sie hören, wie er leise etwas in sein Funkgerät murmelte. Überprüfte jetzt ein Computer das Nummerschild? Und wenn ja, was käme wohl dabei heraus?
    Ein Lieferwagen rumpelte vorbei und übertönte alle anderen Geräusche. Weitere Autos zischten vorüber. Emmas Hand umklammerte den Knüppel der Gangschaltung. Am liebsten hätte sie Gas gegeben und sich mit dem Strom der anderen Autos forttragen lassen, solange es noch möglich war. Jetzt umzukehren war unmöglich. Sie konnte nicht mehr zu Manuel zurück, denn diesmal würde er ihr ganz bestimmt Max wegnehmen.
    “Hab ich alles richtig gemacht, Mommy?”, fragte Max. “Krieg ich jetzt ein Spielzeug?”
    “Du warst ganz toll, Liebling. Aber es ist ja noch nicht vorbei. Sei bitte noch eine Weile still, ja?” Sie ließ die Hand auf dem Knüppel der Gangschaltung liegen, falls etwas schief ging, und beobachtete, wie der Streifenbeamte zurückkam.
    “Wir haben es gleich”, sagte er und gab ihr den Fahrzeugschein zurück. Den Führerschein behielt er allerdings noch.
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