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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen
Autoren: Terry Pratchett
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wanderten noch etwas langsamer und näherten sich den Docks.
    »Ich schreibe Bana einen Brief«, sagte Korporal Nobby nach einer Weile.
    »Ja, aber… sie hat dich für eine Frau gehalten, Nobby.«
    »Stimmt. Sie… äh…hat mein inneres Selbst gesehen, frei von…« Nobbys Lippen bewegten sich lautlos, als er nach den richtigen Worten suchte. »Frei von allen Äußerlichkeiten. Das meinte Angua. Wie dem auch sei: Ich dachte, daß jetzt ihr Verlobter heimkehrt, und deshalb möchte ich großzügig sein und sie ihm überlassen.«
    »Weil er sich als großer, ziemlich kräftig gebauter Bursche herausstellen könnte, nicht wahr?« fragte Feldwebel Colon.
    »Das kam mir dabei nie in den Sinn«, behauptete Nobby.
    Eine Zeitlang gingen sie schweigend.
    »Eine so gute Tat habe ich nie zuvor vollbracht«, sagte Nobby.
    »Ja«, erwiderte Feldwebel Colon. Nach einigen Sekunden besinnlicher Stille fügte er hinzu: »Natürlich ist das nicht besonders schwer.«
    »Ich habe noch immer das Taschentuch, das sie mir gegeben hat.«
    »Sehr hübsch, Nobby.«
    »Aus echter klatschianischer Seide.«
    »Ja, sieht wirklich gut aus.«
    »Ich werd’s nie waschen, Feldwebel.«
    »Du sentimentaler alter Knabe«, sagte Fred Colon.
    Er beobachtete, wie sich Korporal Nobby die Nase putzte.
    »Ich nehme an, von jetzt an benutzt du es nicht mehr«, bemerkte er skeptisch.
    »Man kann’s noch immer biegen, sieh nur.« Nobby zeigte es ihm.
    »Oh, ja. Wie dumm von mir, so etwas zu fragen.«
    »Durch diese Erfahrung habe ich viel über Frauen gelernt«, sagte Nobby.
    Der verheiratete Colon schwieg.
    »Heute nachmittag bin ich bei Wilma Schubwagen gewesen«, fuhr Nobby fort. »Ich sagte zu ihr, wie wär’s, wenn wir heute abend ausgehen, und dein Schielen stört mich überhaupt nicht, und ich habe hier dieses exotische Parfüm, das vollkommen über deinen Geruch hinwegtäuscht, und sie meinte, hau ab, und außerdem hat sie mir einen Aal hinterhergeworfen.«
    »Das klingt nicht sehr vielversprechend«, kommentierte Colon.
    »Oh, ich weiß nicht, Feldwebel. Früher fluchte sie nur, wenn sie mich sah.
Und
ich habe einen Aal bekommen, der mindestens für eine Mahlzeit gut ist, und deshalb kann ich mich eigentlich nicht beklagen.«
    »Wie du meinst. Du solltest nur versuchen, das Parfüm möglichst schnell loszuwerden, in Ordnung? Selbst die Leute auf der anderen Straßenseite beschweren sich.«
    Ihre Füße steuerten geradewegs das Hafenviertel an. Dort sahen sie zum aufgespießten Kopf des Klatschianers auf.
    »Der ist nur aus Holz«, sagte Colon.
    Nobby schwieg.
    »Und er ist Teil unseres Erbes an Traditionen, gewissermaßen«, fuhr Colon fort. Aber er zögerte dabei, als widerstrebte es ihm, seiner eigenen Stimme zu glauben.
    Nobby putzte sich erneut die Nase, was angesichts vieler Arpeggios und Trompetenstöße einige Zeit dauerte.
    Der Feldwebel gab nach. Einige Dinge waren nicht mehr so wie vorher, das mußte er zugeben. »Eigentlich hat’s mir hier nie richtig gefallen. Gehen wir zur
Weintraube,
einverstanden?«
    Nobby nickte.
    »Außerdem schmeckt hier das Bier nicht«, fügte Colon hinzu.
     
    Lady Sybil trat vor ihren Mann und hob das Taschentuch.
    »Spuck!« befahl sie.
    Dann entfernte sie mit großer Sorgfalt einen winzigen Schmutzfleck von Mumms Wange.
    »So. Jetzt siehst du…«
    »… herzogisch aus«, sagte Mumm verdrießlich. »Ich dachte, wir hätten das schon hinter uns gebracht…«
    »Nach dem ganzen Durcheinander hat man vergessen, das Convivium abzuhalten«, sagte Lady Sybil und entfernte mikroskopische Fusseln von Mumms Wams. »Es wird jetzt nachgeholt.«
    »Man sollte meinen, daß ich als Herzog nicht dieses dämliche Kostüm tragen müßte, oder?«
    »Nun, ich habe deinen Auftritt in der Paradeuniform des Herzogs vorgeschlagen, Schatz.«
    »Ja, und es genügte mir, einen Blick darauf zu werfen. Weiße Seidenstrümpfe
passen
einfach nicht zu mir.«
    »Du hast genau die richtigen Waden dafür…«
    »Ich glaube, ich bleibe besser beim Kostüm des Kommandeurs«, sagte Mumm rasch.
    Erzkanzler Ridcully eilte herbei. »Wir sind jetzt soweit, Lord Mu…«
    »Nenn mich Sir Samuel«, sagte Mumm. »Daran bin ich einigermaßen gewöhnt.«
    »Nun, wir haben den Quästor in einer der Dachkammern gefunden – dem Beginn der Zeremonie steht also nichts mehr im Wege. Wenn du nun so freundlich wärst, deinen Platz einzunehmen…«
    Mumm schritt zur Spitze der Prozession, fühlte dabei alle Blicke auf sich ruhen und hörte flüsternde Stimmen.
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