Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen
Autoren: Lucie Flebbe
Vom Netzwerk:
den Jackentaschen steuerte Danner auf einen
etwas abseits stehenden Jungen zu. »Hey!«

    Ein magerer Typ, auf dessen Bomberjacke ein fast meterlanger
geflochtener Zopf von einer rasierten Glatze baumelte, drehte sich zu uns um.

    Â»Häh?«

    Zwischen verquollenen, müden Augen ragte eine gebogene
Geierschnabelnase aus einem schmalen Gesicht. Mit hängenden Schultern starrte
er durch uns hindurch. Auch der Typ war kurz vorm Koma.

    Â»Wo finde ich Fliege?«, wollte Danner direkt wissen.

    Der Name des Penners ließ den Jungen aus seiner Lethargie
schrecken. Schlagartig wurde er wach und blinzelte unsicher.

    Im gleichen Augenblick stand auch der Kettenträger neben
uns. Ich hatte weder damit gerechnet, dass er Danners Frage hören würde, noch
mit der Schnelligkeit, mit der er sich umdrehte. Der war weniger zugedröhnt,
als es zuerst den Anschein hatte.

    Â»Nach wem hast du gefragt, du Sack?«, brüllte er laut und
baute sich vor Danner auf.

    Danner musste zu dem großen Jungen aufsehen. »Nicht nach
dir«, gab er sich unbeeindruckt.

    Â»Du suchst Ärger, was?«, schnappte der Schmuckfreund
bissig.

    Wie Schafe einer Herde scharten sich seine Kumpel um
ihren klimpernden Leithammel. Der schwankende Ziegenbart befreite seine Arme
aus der Umklammerung der beiden anderen.

    Â»Hab gehört, Fliege hängt hier öfter ab«, blieb Danner
hartnäckig.

    Der Glatzkopf mit dem Zopf wich erschrocken hinter seinen
angriffslustigen Kollegen zurück: »Fliege hab ich seit Wochen nicht gesehen!«

    Er erblasste, als hätte sich Danner nach Osama bin Laden
erkundigt.

    Â»Haste was mit den Ohren, Alter?«, brüllte der Kettenträger
wütend dazwischen und kam drohend auf Danner zu. »Wenn ich den Penner in die
Finger kriege, schlag ich ihn tot! Das ist ein Versprechen! Und wenn du hier
noch mal aufkreuzt und blöde Fragen stellst, passiert dir das Gleiche, du
Wichser! Dann kannste dich neben deinem Kumpel beerdigen lassen!«

    Er kam Danner so nah, dass er für diese Frechheit eine
Ohrfeige kassieren würde. Im nächsten Moment begriff ich, dass der Punk gar
nicht stehen bleiben wollte. Grob rempelte er Danner an.

    Danner wich rückwärts aus, griff in derselben Bewegung
beide Schultern des Teenagers, drückte seinen Oberkörper herunter und rammte
ihm mit Wucht ein Knie in den Bauch.

    Im gleichen Augenblick krachte mir etwas auf die linke
Schulter und ließ mich taumeln.

    Â»Lass Bohne los, du Arsch! Oder der Süßen hier passiert
was!« Der Ziegenbart hatte mich mit einer Hand an der Schulter gepackt. Er schaukelte
mich hin und her – nicht um Danner zu drohen oder mich am Weglaufen zu hindern,
begriff ich, sondern weil er selbst etwas zum Festhalten brauchte. Der Riese
kämpfte gegen die Schwerkraft, um nicht umzukippen.

    Trottel!

    Mit beiden Händen packte ich die Pranke auf meiner
Schulter, warf mich nach vorn und riss den Dicken von den Beinen. Er war so
besoffen, dass er ungebremst mit dem Gesicht aufs Pflaster krachte und liegen
blieb.

    Ich wirbelte herum, um mich gegen weitere Angreifer zu
verteidigen, doch die übrigen Punker hielten Abstand. Alle starrten Bohne, den
Kettenträger, an. In dem Rudel war er anscheinend so etwas wie der Chef.

    Hinter den sicheren Scheiben des Bahnhofsimbisses starrten
zwei gelb uniformierte McDonald’s- Mitarbeiter
ebenfalls.

    Weil der Chef zusammengekrümmt auf dem Boden lag, Danners
Stiefel im Nacken, warteten die Übrigen unentschlossen ab.

    Der Ziegenbart stemmte sich mühsam auf alle viere und
sabberte Blut auf die Pflastersteine.

    Â»Also noch mal von vorn«, knurrte Danner die ratlosen
Teenager an. »Wo finden wir Fliege?«

    Â»Lass mich los und ich mach dich kalt!«, tobte Bohne.

    Da er noch immer unter Danners Schuh klemmte, mit der
rechten Wange auf das schmutzige Pflaster gepresst, überzeugte er nicht ganz.

    Â»Noch ein Wort und du kannst dir mit deinem Kumpel
zusammen einen Zahnarzttermin besorgen«, warnte ihn Danner.

    Und tatsächlich: Bohne biss sich wütend auf die Lippen.

    Danner sah mich an. Ich zuckte die Schultern. Zugleich
nahmen wir Abstand von den am Boden liegenden Jugendlichen.

    Bohne sprang sofort auf die Füße und wischte sich fluchend
den Dreck und eine Zigarettenkippe aus dem Gesicht. Der Ziegenbartträger hingegen
brauchte Hilfe beim Aufstehen.

    Â»Lass dich hier bloß nicht wieder blicken! Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher