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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen
Autoren: Lucie Flebbe
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stark, dass sie das gesamte Glas
auszufüllen schienen.

    Eule. Kein Zweifel.

    Â»Fliege? Hab ich seit Tagen nicht gesehen.« Ihre Stimme
klang brüchig und leise. Ihr Blick flitzte gehetzt zwischen Danner und mir hin
und her und ihr Gesicht färbte sich kalkweiß, als hätten wir eine Bombendrohung
bekannt gegeben. Eilig packte Eule ihre Zeitungen zusammen, um die Flucht
ergreifen zu können.

    Â»Ich hab gehört, Sie wissen, wo Fliege pennt«, hakte Danner
nach.

    Eule schüttelte abwehrend den Kopf: »Ich kenn den nicht.
Ich weiß nicht, wo der ist.«

    Sie war kleiner als ich, registrierte ich, als sie
aufstand. Und nicht gerade schlank.

    Â»Und ich hab gehört, Sie bumsen ihn«, wurde Danner allmählich
ungeduldig.

    Â»Ich?«

    Â»Ja.«

    Â»Ich – ich bums den nicht!« Die Frau schüttelte erschrocken
den Kopf. »Bestimmt nicht! Ich nicht.«

    Den Kopf tief gesenkt, unter dem einen Arm den Zeitungsstapel,
unter dem anderen ihre Wolldecke, hastete sie los. Weil sie nicht die Dünnste
war und zudem leicht hinkte, hielten Danner und ich mühelos mit ihr Schritt.

    Â»Aber Sie hatten mal was mit ihm?«, fragte Danner unbarmherzig
weiter.

    Â»Schon seit Wochen nicht.« Sie bemühte sich, noch
schneller zu laufen.

    Wir kamen der Sache näher.

    Â»Wir wollen ja auch nur wissen, wo er jetzt steckt.«

    Schulterzucken.

    Â»Na schön.« Abrupt blieb Danner stehen. »Dann richten Sie
ihm aus, wir haben seinen Köter ins Tierheim gesteckt, wenn Sie das nächste Mal
was mit ihm haben!«, rief er der flüchtenden Frau nach.

    Eule zuckte zusammen. »Mücke?« Ihre Schritte verlangsamten
sich merklich.

    Hm. Ganz so flüchtig schien die Bekanntschaft doch nicht
gewesen zu sein, wenn sie sich noch an den Namen der kleinen Zeckenzucht
erinnerte.

    In sicherer Entfernung zu uns drehte sich die Zeitungsverkäuferin
um. Der Blick hinter den dicken Brillengläsern hetzte panisch von Danner zu
mir, dann sah sie wieder stur auf den Boden.

    Ich überlegte, ob sie Drogen nahm.

    Â»Ja, Mücke. Klein, schwarz, nicht stubenrein.«

    Weil Eule sich nicht entschließen konnte, ob sie antworten
wollte oder nicht, drohte sie jeden Moment in Tränen auszubrechen.

    Â»Fliege hängt in letzter Zeit öfter am Bahnhof ab«,
rückte sie schließlich weinerlich mit der Sprache raus. »Der lässt sich bei mir
nicht mehr blicken.«

    Na also. War doch gar nicht so schwer gewesen.

    Â 
    Â»Ey, Ische, Bock auf Party?«

    Ein Junge mit Irokesenfrisur à la Tokio Hotel steuerte direkt
auf mich zu. Es war zwar erst früher Nachmittag, kurz vor zwei, trotzdem war er
offensichtlich bereits vollstramm. In der Hand hielt er eine Colaflasche. Die
Lautstärke, mit der er hinter mir hergrölte, verriet jedoch jedem im Umkreis
von hundert Metern, dass da keine Cola drin war.

    Eine ganze Gruppe Jugendlicher hockte links neben dem Eingang
des Bochumer Hauptbahnhofs unter dem weit ausladenden Dachüberstand. Die Kids
hatten sich auf einer kleinen Betonstufe zwischen den grün gestrichenen Stahlträgern
der Bahnhofskonstruktion niedergelassen.

    Jetzt hörten sie auf, Pappbehälter von McDonald’s, Zigarettenkippen und
Kronkorken um sich herum zu verteilen, und johlten begeistert auf. Drei weitere
Punks gesellten sich zu meinem Verehrer.

    Ich ging weiter, etwas schneller als vorher vielleicht.

    Â»Wat willste mit dem alten Sack da?« Spritzend fuchtelte
der Tokio-Hotel-Fan seine Colaflasche in Danners Richtung. »Der bringt’s doch
nich mehr! Ich schwör dir, ich mach’s dir besser!«

    Ich merkte, dass Danner hinter mir zurückblieb.

    Zu den ausgefallenen Frisuren trugen die Jugendlichen
Armeehosen, Piercings, Stachelhalsbänder und jeder mindestens ein sichtbares
Tattoo.

    Es war ja nicht so, dass ich kein Verständnis für Kinder
hatte, die sich eine extravagante Frisur zulegten, um ihre Eltern zu ärgern.
Schließlich waren meine eigenen Haare die längste Zeit meiner Pubertät über
lila gewesen. Aber man konnte alles übertreiben. Und auch mit dem Alkohol
hatten die Jungs es hier definitiv übertrieben.

    Â»Komm schon, du Möse! Bist doch nass!« Ein schlaksiger,
rotblonder Junge mit Sommersprossen und noch mehr Pickeln rund um eine
kindlich-niedliche Stupsnase versperrte uns den Weg. Zu seiner Lederweste trug
er schwere Panzerketten um den Hals und an
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