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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman
Autoren: Ned Beauman
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umgeben von einer Horde Leute, die Wetten abgeschlossen hatten und unbedingt seine Entscheidungen für ihn treffen wollten), in der Hoffnung, er würde in Mottles Gesicht das unsichere Blinzeln eines Schiedsrichters erkennen, der weiß, dass er etwas Wichtiges verpasst hat, aber zu starrköpfig ist, um seinen Irrtum zuzugeben – zwei von drei Malen konnte man dem Gegner den Daumen ins Auge stecken, ohne erwischt zu werden –, aber zu Frinks Entsetzen bellte Mottle: »Foul! Foul!«
    »Nee, vergiss es!«, sagte Sinner. »War kein Foul. Es hat nicht wehgetan. Der Kampf geht weiter.«
    »Unter der Gürtellinie«, beharrte Mottle. Bei den Wettlustigen hinter seinem Rücken kam es bereits zu Handgreiflichkeiten.
    Pock streckte die Hände in die Luft und schüttelte den Kopf, als wolle er seine Unschuld beteuern.
    »Es hat nicht mal wehgetan«, sagte Sinner und starrte wütend zu Mottle hinunter. »Der Pisser könnte mir gar nicht wehtun. Noch nicht mal, wenn man ihm einen Pflasterstein in den Handschuh packt.«
    »Wir dulden hier keine unfairen Mittel.« Mottle sah zum Tisch der Kampfrichter hinüber, um Bestätigung zu erhalten.
    »Ich will kämpfen, verdammte Scheiße. Die wollen, dass ich kämpfe.«
    Sinner drehte sich zu seinem Trainer um und schrie: »Sag’s ihm, Frink! Das ist doch Verarsche!«
    »Du bist der Sieger, Sohn. Regeln sind Regeln.«
    »Scheißdreck.«
    Mottle nickte dem Ansager zu. »Meine Damen und Herren, Seth ›Sinner‹ Roach!« Aus der Menge kamen ein paar sarkastische und verärgerte Hurrarufe, und dann begannen sie wieder zu grölen und zu buhen, jetzt sogar noch lauter, aber nicht mehr höhnisch, sondern wütend. Sie waren betrogen worden, genau wie Sinner, und es dauerte nicht lange, bis ein kratziges, misstönendes Brummen an die Decke des Premierland stieg, eine Drohung, die man nicht mit den Ohren, sondern mit dem Bauch und den Fäusten hörte. Heute Nacht würden auf der ganzen Länge der Commercial Road die Messer gezogen werden, dachte Pock, nicht nur von den Sportwettern, sondern von allen, die um das gebracht worden waren, wofür sie bezahlt hatten. Wie gut die ersten drei Kämpfe gewesen waren, spielte keine Rolle mehr, wenn jemand den vierten vermasselte – das war noch schlimmer, als ein Mädchen einen Rückzieher machen zu lassen, bevor man mit ihr fertig war. Er fragte sich schon, ob er einen Fehler gemacht hatte, aber dann entdeckte er in der dritten Reihe Myrna, die ihre Puderdose in der Hand hielt, in den Spiegel sah und Lippenstift auftrug. Er würde ihr erzählen, dass er am Gewinnen gewesen sei, dass er einfach Pech gehabt habe. Barnaby Pock, nach neunzehn Kämpfen immer noch technisch ungeschlagen, dachte er. Sein Kopf schmerzte.
    »Warten Sie, warten Sie«, sagte Frink und eilte zu Mottle, wobei er einen schlaksigen Kerl mit Schnurrbart hinter sich herzog, der an diesem Abend der Ringarzt im Premierland war (eine bescheidene Verbesserung gegenüber den Tagen, als man bestenfalls auf ein Heftpflaster in der Tasche des Ringrichters hoffen konnte). »Der Doktor soll einen Blick auf ihn werfen. Wenn er sagt, dass alles in Ordnung ist, müssen Sie ihn kämpfen lassen.«
    »Muss ich nicht«, sagte Mottle.
    »Er will kämpfen.«
    »Ich fürchte, ich kann hier draußen keine ordentliche Untersuchung durchführen«, sagte der Arzt.
    »Abtasten!«, rief einer der Sportwetter.
    »Tragen Sie irgendwelche Schutzvorrichtungen, Mr.   Roach?«, erkundigte sich der Arzt.
    »Er trägt einen Gurt«, sagte Frink.
    »Nur einen Gurt! Vielleicht sind Sie oder Ihr Trainer mit der von mir entwickelten Faustkampfarmatur vertraut? Nein? Eines kann ich Ihnen versichern, meine Herren: Wenn alle Faustkämpfer mit meiner preisgünstigen Erfindung ausgestattet wären, würde niemals ein Kampf abgebrochen werden, nur weil ein Schlag in die Irre geht. Sie ist undurchdringlich.«
    »Sehen Sie sich den Jungen einfach mal an«, sagte Frink.
    »Das wird aber gar nichts ändern, Mel«, erwiderte Mottle.
    »Darüber hinaus auch sehr bequem«, fuhr der Arzt fort. »Mr.   Roach, ich würde sagen, Sie brauchen – ach du meine Güte! – nun, ich würde fast sagen, Größe zehn … Und Sie, Mr.   Pock … schätzungsweise Größe vier. Oder vielleicht drei.«
    »Soll ich dir eine reinhauen?«, meinte Pock.
    »Das ist ein treffliches Angebot, Sir, da ich zufällig im Augenblick eine meiner Faustkampfarmaturen trage. In der Tat fordere ich jeden der Herren dazu heraus, mich auf diese Körperstelle zu schlagen.
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