Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman
Autoren: Ned Beauman
Vom Netzwerk:
Staatsoberhäuptern erhalten, aber keines war so einzigartig und unerwartet wie Ihre freundliche Gabe. Sie ist eine Mahnung, daß die Siege des Wissenschaftlers keinen Deut weniger wichtig für unsere Zukunft sind als die Siege des Soldaten. Ich hoffe, Sie halten mich über den Fortgang Ihrer Arbeit auf dem laufenden – vielleicht wird das Dritte Reich eines Tages eine Position für Sie bereithalten. Wie gut sprechen Sie Deutsch?
    Mit vorzüglicher Hochachtung
    Adolf Hitler
    Reichskanzler
    Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, jeden Zoll in Zroszaks Wohnung abzusuchen. Seine Leiche störte mich nicht mehr.
    Aber ich fand nichts.

ZWEITES KAPITEL
    August 1934
    Pock verlor nicht nur gegen Sinner – er wurde zu Hackfleisch gemacht, ausradiert. Pock schien es, als könne dieser haarlose Wicht in sein Inneres sehen – als könne er Pocks Erinnerung an seinen ersten Kuss sehen oder seinen Trick, mit den Ohren im Takt zu einer Melodie zu wackeln, oder seinen Hass auf Katzen – als könne er all das sehen, sorgfältig zielen und es aus seinem Kopf prügeln wie einen wackligen Zahn. Bald würde Pock nur noch ein Fleischklumpen sein. Noch nie hatte er so präzise, ungeduldige, grausame Schläge erlebt. Der andere Junge war auch unglaublich sauber – nirgendwo ein Tropfen Blut –, und obwohl seine knochige Brust unter den Lichtern vor Schweiß glänzte, war es ein dünner, wirksamer, kühlender Schweiß und nicht die säuerliche Hühnersuppe, die Pock in die Augen rann, von seinem Kinn tropfte und sich in seinen Shorts sammelte, sodass sich sein Schwanz schwerer anfühlte als seine Fäuste.
    Das Premierland war einst eine Lagerhalle des Metzgers Fairclough gewesen, und wenn sich Pock wie ein Stück Fleisch fühlte, so war er nicht der Einzige, denn vielen der tausend Zuschauer ging es genauso; sie waren nicht nur wie Fleischstücke zusammengepackt, sie wurden auch noch geräuchert und blinzelten durch blauen Zigarettenrauch, der so dicht war, dass man kaum die Stahlträger sehen konnte, die das Dach stützen. Und wenn dieser winzige Dämon von einem Juden nicht beschlossen hätte, der ausverkauften Arena ein großes Spektakel zu bieten, hätte Pock nicht eine einzige Runde überdauert, das wusste er. Aber Pock war im Ring noch nie k.   o. gegangen, nicht ein einziges Mal, und das würde heute auch nicht passieren, wo seine heiser-piepsige Myrna da unten saß und zusah – er würde sie nie wieder vögeln können, wenn sie ihn hilflos auf dem Rücken liegen sah, als sei er selbst gevögelt worden. Also taumelte Pock in seine Ecke zurück, als die Rundenglocke ertönte, ignorierte das Gejammer seines Trainers, trank keinen Schluck Wasser, klopfte nicht einmal wie sonst mit seiner linken Faust auf den rechten Stiefel, was ihm Glück bringen sollte, sondern fluchte leise vor sich hin und starrte quer durch den Ring auf Sinner, der auf seinem Hocker saß und ausdruckslos zurückstarrte, einen Arm über die Seile gelegt, während Max Frink, Sinners Trainer und Manager, ihn mit Eiswasser bespritzte. Dann läutete wieder die Glocke, und Sinner spuckte zweimal aus, sprang auf und hüpfte los, bewegte sich bereits (wie es der junge Reporter von Boxing ausdrücken würde), »als wolle ein Dutzend freundlicher Bewunderer ihm einen Kranz aus Giftefeu überreichen«. Pock trottete dahin, die Hacken immer auf der Matte, während Sinner fast auf den Zehenspitzen federte. Sie umkreisten einander, und Pock versuchte ein paar müde Geraden, von denen er wusste, dass Sinner sich darunter wegducken würde, und kriegte als Antwort einen harten rechten Haken in die Nieren – heute Nacht würde im Schlaf das Blut tröpfeln, und er würde mit fleckiger Unterwäsche aufwachen wie ein Mädchen – er täuschte, blockte, täuschte, zielte schließlich ganz nach unten und schlug Sinner in die Eier.
    (Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, dass es so gewesen sein muss.)
    Selbst Frink, Veteran aus hundert Schlägereien auf den Straßen von Spitalfields, zuckte und biss die Zähne zusammen, Sinner jedoch, der den Schlag erhalten hatte, grunzte bloß. Wut blitzte in seinen Augen auf, aber das hatte nichts mit Schmerz zu tun: Sinner und der Schmerz hatten sich lange entfremdet. Vielmehr, dachte sich Frink, war es die Erkenntnis, dass er um seinen Knock-out gebracht werden könnte. Als die Menge, hochzufrieden mit dieser Slapstick-Einlage, zu johlen begann, sah Frink zum Schiedsrichter hinunter (der in jenen Tagen außerhalb des Rings stand,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher