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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen
Autoren: T. C. Boyle
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na ja, Größeres für die Eingangshalle, und dann noch mindestens drei von diesen Zebras – zwei für dein Zimmer, würde ich sagen, und eins werden wir noch für die Skihütte brauchen... um diese häßliche Holzverkleidung hinter der Bar zu verdecken.«
    Mike Bender war längst bei seinem vierten Gin Tonic. Schon verflog allmählich das Hochgefühl, das er bei seinem ersten Abschuß verspürt hatte, und wich nagender Frustration und Wut – wieso konnte Nikki nicht endlich den Mund halten, wenigstens eine Sekunde lang? Kaum hatten sie sich umgezogen und waren in die Savanne oder Steppe rausgefahren, oder wie das nun hieß, da hatte sie damit angefangen. Mit einem sauberen Schuß hatte er eine Thomson-Gazelle aus zweihundert Meter Entfernung umgenietet, und noch bevor das Vieh am Boden lag, machte sie es madig. Huch , sagte sie, als hätte sie jemand auf der Toilette überrascht, aber die ist ja ganz klein . Und dann warf sie sich in Pose für Bernard Puff und den farbigen Kerl, der die Gewehre schleppte und die Kadaver häutete. Fast wie ein Karnickel mit Hörnern.
    Und jetzt beugte sich der große weiße Jäger über den Tisch, um sie zu besänftigen; sein Khakisafarihemd spannte über dem Bauch, und sein Akzent klang so unecht, als hätte er ihn aus einer Monty-Python-Nummer. »Mrs. Bender, Nicole«, begann er und wischte sich sein Gesicht, diese ekelhafte Blutblase, mit einem großen karierten Taschentuch ab, »die Zebras holen wir uns morgen früh, wenn es noch kühl ist, und wenn Sie drei wollen, werden es drei sein, kein Problem. Oder vier, wenn Sie möchten. Fünf. Wer die Munition mitbringt, für den haben wir auch das Wild.«
    Mike sah zu, wie der Kurzhaarschädel zu ihm herumfuhr. »Und, Mike«, fügte Puff hinzu, jovial wie ein Fremdenführer, aber mit genau der richtigen Andeutung von Dramatik in der Stimme, »am Abend ist es dann Zeit für die großen Viecher, die Männer aus uns machen, für den alten Simba höchstpersönlich.«
    Wie zur Antwort ertönte irgendwo hinter den dunklen Fenstern ein Fauchen und ein Brüllen, und Mike Bender spürte die Wildheit, die in der dünnen Nachtluft zu ihnen herüberwehte – Löwen, die Löwen, von denen er geträumt hatte, seit er als Kind mit seiner Tante im Zoo des Central Park gewesen war und das Gebrüll der großen, zottligen Tiere mit den gelben Augen ihn bis in seine urtümlichsten Wurzeln aufgerüttelt hatte. In der Wildnis zu sein, in dieser afrikanischen Nacht, in der es von Raubtieren nur so wimmelte, großköpfig und dickhäutig, der Sprung, das Zupacken, das Reißen von Sehnen und das Brechen von Knochen – es war furchterregend und wunderschön zugleich. Aber warum roch es so nach Öl?
    »Was meinen Sie, altes Haus? Sind Sie dabei?« Puff grinste jetzt, und hinter seiner massigen, löwenartigen Gestalt sah Mike, aufgereiht wie Stammesmasken, die Gesichter seiner Frau und seiner Tochter.
    Nichts brachte Mike Bender, den König von Encino, aus der Fassung. Kein Verkäufer konnte ihm standhalten, kein Käufer konnte ihn herunterhandeln. Seine Verträge waren wie Schraubstöcke, seine Kampagnen wie Dampfhämmer, seine Anlagen so solide wie ein Berg aus Eisenerz. »Ich bin dabei«, sagte er, berührte die Lippen, wühlte mit den Fingern im Haar, schlug sich in einem metabolischen Exzeß auf Ellenbogen und Unterarme. »Ölen Sie mir nur schön meine H&H Magnum, und zeigen Sie mir, wohin ich zielen soll; das habe ich mir mein Leben lang gewünscht...«
    Es herrschte Schweigen, und seine Worte hingen in der Luft, als würde er selbst nicht daran glauben. Die Tochter wand sich über ihrem Teller und sah aus, als hätte sie etwas Verfaultes im Mund; seine Frau hatte diesen wachen Gehen-wir-einkaufen-Blick in den glitzernden Äuglein. »Wirklich. Ich meine, seit meiner Kindheit – wie viele haben Sie übrigens da draußen? Zählen Sie Ihre Löwen überhaupt?«
    Bernard Puff kratzte sich die ergrauten Haarstoppeln. Wieder ertönte das Gebrüll, diesmal gedämpft und dicht gefolgt vom Kreischen einer Hyäne, das klang, als hätte ihr jemand ein Messer in den Bauch gerammt. »Nun ja, wir haben da eine ganz ordentliche Großfamilie – zwölf oder vierzehn, würde ich sagen, und dazu noch ein paar junge Einzelgänger.«
    »Auch richtig große, mit Mähnen? Auf so was sind wir nämlich aus.« Er richtete den Blick auf Nicole. »Vielleicht so ein ganzes Vieh, ausgestopft, wie es sich gerade auf den Hinterbeinen aufbäumt, was meinst du, Nik? Zum Beispiel für
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