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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen
Autoren: T. C. Boyle
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den Empfangsraum im Büro in Beverly Hills?« Dann machte er einen Witz daraus: »Na ja, wenn Prudential-Immobilien so was abziehen...«
    Nicole wirkte zufrieden. Puff auch. Aber seine Tochter wollte ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Sie schnaubte verächtlich, so daß die drei anderen sich ihr zuwandten. »Aha, ihr wollt also einen armen Löwen umbringen, der niemandem etwas zuleide tut – und was wollt ihr damit beweisen?«
    Puff wechselte einen Blick mit Bender, wie um zu sagen: Ist sie nicht bezaubernd?
    Jasmine Honeysuckle Rose schob ihren Salatteller weg. Das Haar hing ihr in fettigen schwarzen Locken in die Augen. Sie hatte ihr Essen nicht angerührt, nur getrennt: die Tomaten vom Kopfsalat, den Kopfsalat von den Croutons und die Croutons von den Kichererbsen. »Sting«, stieß sie hervor, »Brigitte Bardot, die New Kids – die sagen alle, das ist wie ein Konzentrationslager für Tiere, wie Hitler, und zur Rettung der Tiere machen sie so ein Benefizkonzert in Frankreich, in Paris...«
    »Aber ein Löwe mehr oder weniger tut doch niemandem weh«, unterbrach Nicole das Mädchen und kniff die üppigen kollagenverstärkten Lippen zusammen. »Ich finde die Idee deines Vaters echt super. Ein aufrechter Löwe, gleich beim Eingang, wo die Leute reinkommen – das ist doch, symbolisch ist das, genau das ist es.«
    Mike Bender wußte nicht genau, ob sie sich lustig über ihn machte. »Hör mal, Jasmine«, fing er an, und unter dem Tisch begann er mit dem Fuß zu wippen, während er sich am Ohr zupfte und mit dem Besteck herumfummelte.
    »Jasmine Honeysuckle Rose«, fauchte sie.
    Mike wußte, daß sie ihren Namen haßte; er war ein Einfall ihrer Mutter gewesen – seiner schwachsinnigen Exfrau, die im Sonnenuntergang immer Gespenster gesehen und ihn für die Reinkarnation von John D. Rockefeller gehalten hatte. Um ihm etwas entgegenzuknallen, um ihn an sein Leben und an alle Fehler zu erinnern, die er je gemacht oder nur beabsichtigt hatte, bestand seine Tochter auf ihrem vollen Namen. Immer.
    »Okay: Jasmine Honeysuckle Rose«, sagte er, »jetzt hör mir gut zu: Dieser ganze Hippieschnippie-Scheiß mit Rettet-die-Umwelt mag ja ganz nett sein, wenn man zwölf ist, aber dir muß doch mal klarwerden, daß Jagen etwas ganz Natürliches für den Menschen ist, so wie, wie...«
    »Essen und Trinken«, half Puff nach und sprach die Verben sehr gestelzt aus, um sie britischer klingen zu lassen.
    »Klar!« schrie Jasmine. Sie war jetzt auf den Beinen, ihre Augen waren wie Senkgruben, ihre Mundwinkel zuckten. »Genau wie Scheißen, Furzen und, und Ficken !« Und dann war sie weg, stampfte durch den trophäenbehängten Korridor in ihr Zimmer, dessen Tür sie mit donnerndem Krachen zuschlug.
    Ein Augenblick der Stille legte sich über den Tisch. Puffs Blick blieb an Nicole haften, als diese die Arme hob, um sich zu räkeln, und dabei ihre Brüste und die pedantisch weißen Flächen glattrasierter Haut in den Achseln zur Schau stellte. »Süß, die Kleine, was?« bemerkte er. Diesmal war der Sarkasmus unüberhörbar.
    »Echt süß«, sagte Nicole, und damit waren sie im Bunde.
    Puff wandte sich zu Mike, während der farbige Bursche mit einem Servierteller voll Gazellensteaks und auf Mesquitegras gerösteten Maiskolben zur Tür hereinkam, und ließ seine Stimme warm und vertraulich klingen: »Also morgen früh erst mal die Zebras, Mike«, sagte er, »das wird Ihnen gefallen.« Er sah ihn aus seinen wäßrigen Augen direkt an. »Und dann« – die Gazellensteaks landeten auf dem Tisch, kleine Klumpen bluttriefendes Fleisch –, »und dann nehmen wir uns die Löwen vor.«
    Nicht daß er tatsächlich davonrannte – da hatte Bernard schon Schlimmeres gesehen, viel Schlimmeres –, aber er war doch nahe dran. Entweder das, oder er stand kurz vor einer Ohnmacht. So oder so war es eine ziemlich haarige Situation, ein Aufeinandertreffen, bei dem Bernard sich wünschte, er hätte nie im Leben von Afrika, Löwen und Wildparks oder Grundstücksmaklern gehört.
    Sie hatten den Löwen im alten Mandelbaumhain aufgestöbert. Die Bäume dort sahen aus wie verdrehte Geweihe, tot und ohne Laub, in Reihen stehend, so weit das Auge reichte, und der Boden war mit abgefallenen Ästen übersät. »Nicht zu nah ran«, hatte Bernard gewarnt, aber Bender wollte nicht danebenschießen und geriet in Schwulitäten. Ehe er sich’s versah, stand er knietief in dem Verhau aus Ästen, zappelnd und zuckend wie ein Spastiker, das Gewehr im Anschlag, aber ohne
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