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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen
Autoren: T. C. Boyle
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überlegte es sich anders und legte es wieder zurück. »Okay«, flüsterte sie heiser, »aber ich hoffe bloß, diese Ranch ist nicht allzu, du weißt schon, spießig .«
    Ein rauhes Lachen erklang vom Rücksitz, wo Mike Benders zwölfjährige Tochter Jasmine Honeysuckle Rose Bender es sich mit den letzten zehn Ausgaben von Bop und einem Sechserpack Selters bequem gemacht hatte. »Jetzt macht mal halblang! Ich meine, Löwen abknallen in Bakersfield? Das ist ja wohl das Allerspießigste. Spießig, spießig, spießig!«
    Mike Bender saß hinter dem Lenkrad, den Hintern in das geschmeidige Ziegenleder des Sitzes geschmiegt, vor seinem inneren Auge Visionen von springenden Buntböckchen, und war leicht verärgert. Löwen und Elefanten und Nashörner hatte er schon seit seiner Kindheit jagen wollen, seitdem er zum erstenmal Henry Rider Haggards Allan Quatermain, der weiße Jäger und die klassische Comic-Version von König Salomos Schatzkammer gelesen hatte. Und dies war nun seine Chance. Gut, es war vielleicht nicht Afrika, aber wer hatte schon Zeit für Safaris? Drei freie Tage am Stück waren für ihn schon ein Glücksfall. Und da drüben durfte man ja sowieso nichts abschießen. Jedenfalls nicht mehr. Das waren jetzt alles Schutzgebiete, Wildparks und Reservate. Es gab dort keine weißen Jäger mehr. Nur noch Fotografen.
    Eigentlich wollte er ihr in seinem schärfsten Tonfall antworten: »Jetzt hör schon auf!«, mit der Stimme, die sein Verkäuferteam in Deckung gehen und seine Konkurrenten erstarren ließ, aber er bewahrte Ruhe. Nichts sollte ihm dieses Abenteuer kaputtmachen. Gar nichts.
    Es war nach Mittag. Die Sonne hing über ihnen wie ein Ei im Glas. Das Thermometer im Schuppen stand auf über fünfundvierzig Grad, draußen regte sich nichts außer den Geiern, die hoch oben in der ausgebleichten Leere des Himmels kreisten, und die ganze Welt schien ein Schläfchen zu halten. Bis auf Bernard Puff. Bernard war außer sich – die Benders hatten sich für zehn Uhr morgens angesagt, jetzt war es Viertel nach zwei, und sie waren immer noch nicht da. Er hatte Espinoza die Thomson-Gazellen und die Elenantilopen um neun aus dem Pferch treiben lassen, aber weil er fürchtete, sie würden sich in der Hitze zu tief im Unterholz verstecken, hatte er ihn mittags losgeschickt, um sie wieder zurückzuholen. Die Giraffen waren nirgends zu sehen, und der Elefant war an der Eiche angeleint, die Bernard so gestutzt hatte, daß sie an eine Schirmakazie erinnerte, und sah so zerzaust und verstaubt aus wie ein Haufen taiwanesischer Reisetaschen, die jemand auf dem Flughafen vergessen hatte.
    Bernard stand in der Hitze auf dem ausgetrockneten Vorplatz und blinzelte zu der Wand aus Elefantengras und Euphorbien hinüber, die er gepflanzt hatte, um den Ölförderkran zu verdecken (nur wenn man wußte, daß er da war, ahnte man die Bewegung des großen Stahlauslegers, der sich hob und senkte und wieder hob und senkte). Er war verzweifelt. Sosehr er sich auch angestrengt hatte, das Gelände sah immer noch aus wie ein Zirkuslager, die Überreste eines ausgebombten Zoos, eine platte, staubige, ausgeglühte ehemalige Mandelplantage in der sengend heißen Südostecke des San Joaquin Valley – und genau das war es ja. Was würden die Benders davon halten? Und, wichtiger noch: was würden sie von sechshundert Dollar pro Tag halten, zahlbar im voraus, zuzüglich Gebühren von einem Tausender pro abgeschossene Gazelle, über zwölftausend für einen Löwen und »Preis nach Vereinbarung« für den Elefanten? Immobilienmakler hatten sich schon öfter dagegen gesträubt, und das Geschäft boomte in letzter Zeit keineswegs.
    Am Himmel zogen die Geier ihre Kreise. Ihm lief der Schweiß herunter. Die Sonne kam ihm vor wie eine feste Hand, die ihn in die kühle Küche lenkte, zu einem großen Glas Chininwasser (das er eher aus Effekthascherei als wegen des therapeutischen Wertes trank: innerhalb von tausend Kilometern gab es keine einzige Malariamücke). Er wollte es gerade aufgeben, da erspähte er das ferne Aufblitzen einer Glasscheibe und sah den Wagen der Benders auf der Einfahrt Staubwolken aufwirbeln.
    »Roland!« brüllte er, und auf einmal war jedes sterbliche Gramm an ihm in Bewegung. »Scheuch die Affen raus in die Bäume! Und die Papageien!« Plötzlich joggte er über den staubigen Platz und den Fußweg entlang, an dessen Ende die Elefantenkuh lag, unter dem Baum zusammengesackt. Bernard nestelte an dem Ledergurt, um sie loszubinden, und
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