Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
unweigerlich auf, dass Vater über die Art und Weise, mit der unser erstes Fernseherlebnis so abrupt beendet wurde, einfach hinwegsah, und dass er schon wieder in seine Privatwelt abtauchte.
    Dogger und Mrs Mullet wandten sich diskret ihren Pflichten zu, weshalb nur noch Tante Felicity übrig blieb, die schwach protestierte.
    »Also wirklich, Ophelia«, schnaubte sie ärgerlich, »du bist sehr undankbar. Ich wollte mir doch die Sarggriffe noch richtig ansehen. Der Sohn meiner Putzfrau arbeitet als Ausstatter bei der BBC. Seine Dienste waren bei diesem Anlass besonders gefragt. Er hat sogar extra Geld dafür bekommen, dass er ein paar besonders fotogene Beschläge ausfindig machte.«
    »Tut mir leid, Tante Felicity«, sagte Feely leichthin, »aber ich bekomme bei Beerdigungen immer eine Gänsehaut - sogar im Fernsehen. Ich kann da einfach nicht zuschauen.«
    Daraufhin war es einen Augenblick lang ungemütlich still, was die Vermutung nahelegte, dass sich Tante Felicity nicht so leicht besänftigen ließ.
    »Ich weiß was!«, rief Feely. »Ich gebe eine Runde Pralinen aus, ja?«
    Schon ging sie zu einem unserer kleinen Beistelltische.
    Vor meinem geistigen Auge tauchten Bilder einer viktorianischen Hölle auf: finstere Höhlen, lodernde Flammen, Feuergruben, lange Reihen verlorener Seelen - so ähnlich wie die Trauernden vor dem Rundfunkhaus -, die alle darauf warteten, von einem Racheengel ins Feuer und den geschmolzenen Schwefel geschleudert zu werden.
    Mit dem Gas ebenjenes Schwefels (Elementsymbol ›S‹) hatte ich die Pralinen vollgepumpt. Wenn man hineinbiss, dann … ich mochte es mir gar nicht vorstellen.
    Feely ging zu Vikar Richardson hinüber und riss unterwegs
das Zellophan von der Schachtel mit den steinzeitlichen Pralinen, die Ned auf der Türschwelle hinterlassen und die ich so liebevoll präpariert hatte.
    »Herr Vikar? Tante Felicity?« Feely hob den Deckel ab und hielt den beiden die Schachtel hin. »Nehmen Sie sich doch eine Praline. Die Mandel-Nougat sind besonders lecker.«
    Ich musste eingreifen! Aber wie? Es war offensichtlich, dass Feely die Warnung, die mir entschlüpft war, als puren Bluff betrachtet hatte.
    Jetzt griff der Vikar zu, wobei seine Finger vorher wie die Planchette auf einem Ouija-Brett über den Pralinen geschwebt hatten, als könnte ihn ein unsichtbarer Geist zur allerköstlichsten Leckerei führen.
    »Ich will eine Mandel-Nougat!«, rief ich. »Du hast mir eine versprochen, Feely!«
    Damit stürzte ich mich auf den Vikar, entriss ihm die Praline und schlug im selben Augenblick, indem ich so tat, als wäre ich über die Teppichkante gestolpert, Feely die Schachtel aus den Händen.
    »Du Biest!«, rief Feely. »Du widerliches kleines Biest!«
    Es war wie in den guten alten Zeiten!
    Noch ehe Feely wieder zu sich kam, war ich auf die Schachtel getreten und führte eine ausgeklügelte Choreographie auf, indem ich so tat, als sei ich zu unbeholfen, um das Gleichgewicht wiederzufinden, und die klebrige Masse in den Axminster-Teppich trampelte.
    Mir entging nicht, dass Dieter von einem Ohr zum anderen grinste, als wäre das Ganze ein trefflicher Spaß. Auch Feely bemerkte seine Belustigung, und es war deutlich zu sehen, dass sie zwischen ihrer Fassade als Hochwohlgeborener und dem Verlangen, mir eine saftige Ohrfeige zu verpassen, hin- und hergerissen war.
    Derweil hatten die Schwefelwasserstoffdämpfe, die mein Herumtrampeln auf den Pralinen freigesetzt hatte, ihr Vernichtungswerk
begonnen. Schlagartig stank es im ganzen Zimmer penetrant nach faulen Eiern - ekelhaft! Es müffelte, als hätte ein magenkranker Brontosaurus kräftig einen fahren lassen, und ich weiß noch, dass ich flüchtig daran zweifelte, ob der Salon je wieder sein würde wie vorher.
    Das alles geschah viel schneller, als es sich erzählen lässt, und dann wurden meine Schnellfeuerüberlegungen auch schon von Vaters Stimme unterbrochen.
    »Flavia«, sagte er mit der tiefen, ausdruckslosen Stimme, die wir von ihm kennen, wenn er wütend ist. »Auf dein Zimmer. Sofort.« Sein zur Tür weisender Zeigefinger bebte.
    Jeglicher Widerspruch war zwecklos. Mit hängenden Schultern stapfte ich wie durch knietiefen Schnee zur Tür.
    Im Gegensatz zu Vater taten die übrigen Anwesenden so, als sei nichts geschehen. Dieter spielte an seinem Kragen, Feely setzte sich behutsam neben ihn aufs Sofa und strich sich den Rock glatt, Daffy griff nach einer eselsohrigen Ausgabe von König Salomons Schatzkammer . Sogar Tante Felicity
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher