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Flandry 7: Am Ende des Weges

Flandry 7: Am Ende des Weges

Titel: Flandry 7: Am Ende des Weges
Autoren: Poul Anderson
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einem Felsblock, einem graubraunen Flecken unbedeckten Feuertods oder einem Baum durchbrochen – Hellkrone oder Sägewedel –, den die Kälte gefällt hatte. Hoch in der Luft kreiste ein Flugtier, dessen Flügel sich dunkel gegen die tiefe Wolkenmasse abzeichneten. Seine Art kannte Yewwl nicht. Mit dem Frost kamen eigentümliche Wesen von jenseits des Hütergebirges herbei.
    Ungn, ihr Säugling, rührte sich in ihrem Beutel und miaute. Yewwls Bauchmuskeln schienen davon zu leuchten. Sie hätte anhalten und absteigen können, um ihn zu säugen, aber eine rötliche Schlucht und ein stahlhart gefrorener kleiner Bergsee regten ihr Gedächtnis an und verrieten ihr, dass das Ziel nicht mehr weit war. Sie drückte ihrem Onsar die Fußkrallen in die Strecker, und das Reittier beschleunigte seine Gangart von Trott zu Watschelgang, als begriffe es trotz seiner Müdigkeit und der rasch dünner werdenden Luft, dass es sich bald ausruhen konnte. Yewwl griff in eine Satteltasche, zog einen Streifen Trockenfleisch heraus, aß einen Teil selbst und zerkaute den Rest zu Brei. Währenddessen hatte sie Ungn in die Arme gehoben und knuddelte ihn. Ihre Schwingen faltete sie vor ihren Leib, um den geliebten Winzling vor dem heulenden, durchdringenden Wind zu schützen.
    Ych ritt voraus. Die Sonne stand voll am Himmel, wurde rund und blendend, vergoldete seinen Pelz und ließ die Schwingen leuchten, die er erwartungsvoll gespreizt hatte. Er war fast ausgewachsen, geschmeidig und stattlich; den Stolz seiner Jugend konnte das schlimmste Wetter nicht trüben. Seine drei Jahre jüngere Schwester Ngao ritt hinter ihm und führte mehrere Packtiere, die Zelte und die geräucherte Jagdbeute trugen. Sie war zierlich gebaut und still, doch Yewwl wusste, dass sie zu einer echten Schönheit heranwachsen würde. Mochte das Schicksal gnädig mit ihr umgehen!
    Nachdem sie das Essen gut zerkleinert hatte, brachte sie die Lippen an den Mund ihres Säuglings und fütterte ihn mithilfe ihrer Zunge. Er gurgelte und schlief wieder ein. Nur sechs Tage alt – oder vierzehn, wenn man ab der Empfängnis zählte –, war er noch klein und unförmig. Erst in vier oder fünf Tagen würde er die Augen öffnen, und bis er eigenständig umherkrabbelte, würde noch fast ein halbes Jahr vergehen.
    Robreng ritt an ihre Seite. »Hier«, sagte Yewwl. »Nimm du ihn eine Weile.« Sie reichte den Säugling ihrem Mann, damit er ihn in seinen Beutel steckte. Sie blickte ihn forschend an. »Was hast du denn?«
    Die Anspannung seiner Flügelrippen, das Zittern auf der Oberfläche, seine nach hinten gestellten Ohren – alles an ihm schrie Unbehagen heraus. Er brauchte kaum zu sagen: »Ich spüre Leid vor uns.«
    Yewwl hob den rechten Oberschenkel, damit das Messer, das sie dort in der Scheide trug, in Griffweite war. (An den linken war ein Beutel mit Feuerstein, Stahl, Zunderschachtel und ähnlichen Dingen geschnallt.) »Bestien?« Buschläufer griffen nur selten das Volk an, aber ein ganzes Rudel von ihnen – oder einer anderen Raubtierart – konnte vom Hunger in die Verzweiflung getrieben worden sein. »Invasoren?« Der niemals endende Albtraum war, von Fremden überrannt zu werden, die der Hunger aus ihrem angestammten Gebiet vertrieben hatte.
    Robreng krauste die Schnauze und entblößte die Reißzähne – eine Miene der Verneinung. »Das nicht, soweit ich es sagen kann. Aber etwas fühlt sich hier nicht richtig an.«
    In zwanzig Ehejahren hatte sie gelernt, seinem Urteil fast genauso sehr zu trauen wie ihrem eigenen. Als Junggeselle war er weit herumgekommen und hatte sogar zwei Jahreszeiten in den unbewohnten Ödlanden nördlich des Hütergebirges verbracht und dort gejagt. Er war es gewesen, der angeführt hatte, als die Klanhäuptlinge sich zuletzt vor dem Herrn des Vulkans versammelten, dass dieses Land nicht aufgegeben werden musste. Obsthaine und Weideland würden vergehen, Viehzucht wäre nicht mehr möglich, aber die Geschöpfe der kalten Lande würden herbeiziehen; die Goldene Flut würde dazu führen, dass sie sich zahlreich vermehrten; das Volk könnte ganz von der Jagd leben, ohne in die Wildheit zurückfallen zu müssen. Selbstverständlich würde der Übergang Lebensalter lang dauern, und diese Zeit wäre schwer, aber gewiss würde das Sternenvolk helfen …
    Daher war es beängstigend, ihn so erschüttert zu sehen. »Was also spürst du?«, fragte Yewwl.
    »Ich bin mir nicht sicher«, gestand Robreng. »Es ist zu lange her, dass ich im schneebedeckten
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