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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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Walter.
    Jurek Walter wurde zur Sicherheitsverwahrung in der Psychiatrie verurteilt und war bei seiner Ankunft so aggressiv, dass er mit Gurten fixiert werden und gegen seinen Willen mit Medikamenten behandelt werden musste.
    Vor neun Jahren wurde als Diagnose formuliert: »Schizophrenie, unspezifisch. Chaotisches Denken. Wiederkehrende akute psychotische Zustände mit bizarren und sehr gewaltsamen Zügen.«
    Es ist die einzige Diagnose, die jemals gestellt wurde.
    »Ich lasse Sie herein«, sagt eine Frau mit runden Wangen und ruhigen Augen.
    »Danke.«
    »Sie haben schon einmal von dem Patienten gehört? Von Jurek Walter?«, fragt sie, scheint jedoch keine Antwort zu erwarten.

192
    ANDERS RÖNN hängt den Schlüssel zur Gittertür in den Schrank des Hochsicherheitstrakts, ehe die Frau die erste Tür zur Schleuse öffnet. Er geht hinein, wartet, bis die Tür ins Schloss gefallen ist, ehe er zur nächsten geht. Als ein Signal ertönt, öffnet die Frau auch diese. Anders dreht sich um und winkt, bevor er den Gang zum Personalraum der Isolierstation hinabgeht.
    Ein kräftig gebauter Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren mit hängenden Schultern und kurzen, stoppeligen Haaren raucht unter der Dunstabzugshaube der Küchenzeile. Er knipst die Glut ins Spülbecken, steckt die halbe Zigarette in die Schachtel zurück und schiebt sie in die Tasche seines Arztkittels.
    »Roland Brolin, Oberarzt«, stellt er sich vor.
    »Anders Rönn.«
    »Wie sind Sie ausgerechnet hier gelandet?«, erkundigt sich der Oberarzt.
    »Ich habe kleine Kinder und deshalb eine Stelle in der Nähe gesucht«, antwortet Anders Rönn.
    »Sie haben sich für Ihren ersten Arbeitstag den richtigen Tag ausgesucht«, sagt Roland Brolin lächelnd und geht den schallgedämpften Flur hinab.
    Der Arzt greift nach seiner Passierkarte, wartet, bis das Schloss der Sicherheitstür klickt und schiebt sie mit einem langgezogenen Seufzer auf. Er lässt sie los, noch ehe Anders ganz hindurch getreten ist. Die schwere Tür schlägt gegen seine Schulter.
    »Gibt es etwas, das ich über den Patienten wissen sollte?«, fragt Anders Rönn und zwinkert die Tränen fort.
    Brolin wedelt mit der Hand und zählt auf:
    »Er darf niemals mit jemandem vom Personal allein sein, ihm ist noch nie ein Freigang bewilligt worden, er darf keinen Besuch empfangen und nie auf das Außengelände hinausgehen. Außerdem …«
    »Niemals?«, unterbricht Anders Rönn ihn zögernd. »Ist es denn überhaupt erlaubt, jemanden …«
    »Nein, das ist es nicht«, sagt Roland Brolin schroff.
    Plötzlich ist die Stimmung bedrückt, aber schließlich fragt Anders vorsichtig:
    »Was hat er denn eigentlich gemacht?«
    »Nur nette Dinge«, antwortet der Oberarzt.
    »Zum Beispiel?«
    Roland Brolin sieht ihn an, und sein graues, schwammiges Gesicht verzieht sich plötzlich zu einem Lächeln.
    »Sie sind wirklich neu hier«, sagt er lachend.
    Sie passieren eine weitere Sicherheitstür, und eine Frau mit gepiercten Wangen zwinkert ihnen zu.
    »Kommt lebendig zurück«, sagt sie kurz.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagt der Oberarzt mit gesenkter Stimme zu Anders Rönn. »Jurek Walter ist ein ruhiger, älterer Herr. Er prügelt sich nicht und wird niemals laut. Er bleibt für sich, und wir gehen normalerweise nie zu ihm hinein. Aber heute müssen wir rein, denn die Jungs von der Nachtschicht haben beobachtet, dass er ein Messer unter seiner Matratze versteckt und …«
    »Wie zum Teufel ist er an ein Messer gekommen?«
    Roland Brolins Stirn ist schweißgebadet, er streicht sich mit der Hand über das Gesicht und wischt sie an seinem Kittel ab.
    »Jurek Walter kann ziemlich manipulativ sein und … Wir werden natürlich intern ermitteln, aber wer weiß …«

193
    DER OBERARZT ZIEHT SEINE KARTE durch ein weiteres Lesegerät und tippt einen Zugangscode ein. Es piepst, und das Schloss der Sicherheitstür klickt.
    »Was will er mit einem Messer?«, fragt Anders Rönn und eilt ihm hinterher. »Hätte er sich das Leben nehmen wollen, hätte er das doch sicher längst getan – oder nicht?«
    »Vielleicht mag er ja Messer«, antwortet Roland Brolin.
    »Will er fliehen?«
    »Er hat in all seinen Jahren hier nie einen Fluchtversuch unternommen.«
    Sie kommen zu einer Schleuse mit vergitterten Toren.
    »Warten Sie«, sagt Roland Brolin und hält ihm eine kleine Schachtel mit Ohrstöpseln hin.
    »Sie haben doch gesagt, er wird nicht laut.«
    Der Oberarzt sieht sehr müde aus, so als hätte er seit Tagen nicht
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