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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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den Erdboden.
    Ohne Umschweife zog Åhlén den Reißverschluss des einen Leichensacks auf.
    Joona biss die Zähne zusammen und zwang sich hinzuschauen.
    Vor ihm lag mit geschlossenen Augen und vollkommen ruhigem Gesicht eine junge Frau. Ihr Brustkorb war eingedrückt worden, ihre Arme schienen an zahlreichen Stellen gebrochen zu sein, und das Becken war verdreht.
    »Das Auto kam von einer Brücke ab«, erläuterte Åhlén mit seiner rauen, nasalen Stimme. »Die Verletzungen an Brust und Bauch rühren daher, dass sie den Gurt gelöst hatte. Vielleicht wollte sie den Schnuller des Mädchens aufheben. Das sehe ich nicht zum ersten Mal.«
    Joona betrachtete die Frau. Kein Schmerz, kein Schrecken war ihr anzusehen. In ihrem Gesicht deutete nichts darauf hin, was ihrem Körper widerfahren war.
    Als er den Blick dem kleinen Mädchen zuwandte und sein Gesicht sah, stiegen ihm Tränen in die Augen.
    Åhlén murmelte etwas vor sich hin und deckte die Leichen wieder zu.
    »Also gut«, sagte er. »Dann werden Catharina und Mimmi also niemals gefunden, nie identifiziert werden.«
    Er verlor für einen Moment den Faden, sprach dann jedoch wütend weiter:
    »Der Vater des Mädchens ist die ganze Nacht von Krankenhaus zu Krankenhaus gefahren und hat nach ihnen gesucht. Er rief sogar bei uns an, ich habe mit ihm gesprochen.«
    Åhlén verzog den Mund.
    »Sie werden als Summa und Lumi beerdigt … Ich kümmere mich um die Fälschung der zahnärztlichen Befunde.«
    Er warf Joona einen letzten, prüfenden Blick zu, aber der blieb stumm. Gemeinsam trugen sie die Körper zu dem anderen Wagen.

189
    ES WAR MERKWÜRDIG , ein Auto mit zwei toten Beifahrern zu lenken. Die Straßen waren dunkel. An den Straßengräben lagen überfahrene Igel, ein Dachs starrte ihn, von den Scheinwerfern hypnotisiert, mit leuchtenden Augen vom Straßenrand aus an.
    Als er den Hang erreichte, den er ausgewählt hatte, arrangierte er die Leichen. Nur die Geräusche seiner angestrengten Atemzüge, das Scharren von Textil auf den Autositzen und die gedämpften Plumpser hängender Arme und Beine waren zu hören, während Joona die tote Frau auf dem Fahrersitz platzierte. Anschließend setzte er das Mädchen in Lumis Kindersitz.
    Er lehnte sich in den Wagen, löste die Handbremse und brachte das Fahrzeug in Schwung. Langsam rollte es den Hang hinunter. Er ging neben ihm. Ab und zu musste er hineingreifen und am Lenkrad drehen. Das Auto wurde schneller, er rannte. Mit einem harten, gedämpften Knall kollidierte das Fahrzeug frontal mit einer massiven Kiefer. Es knirschte, als sich das Blech der Motorhaube um den Stamm bog. Die Frau fiel schlaff gegen das Armaturenbrett. Der Körper des kleinen Mädchens wurde im Kindersitz heftig geschüttelt.
    Joona holte den Kanister aus dem Kofferraum und tränkte die Sitze mit Benzin. Er schüttete es auf die Beine des Mädchens im Overall, auf den zerschundenen Körper der Frau.
    Das Atmen fiel ihm immer schwerer.
    Er musste eine Pause machen und versuchen, sich zu beruhigen. Sein erregtes Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Joona Linna murmelte etwas vor sich hin und machte dann das kleine Mädchen wieder frei. Er ging mit ihrem Körper in den Armen auf und ab, hielt es an sich gedrückt, wiegte es und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann setzte er es seiner Mutter auf dem Fahrersitz auf den Schoß.
    Leise schloss er die Autotür und leerte das restliche Benzin über dem Auto aus. Die hintere Seitenscheibe war heruntergekurbelt. Er zündete die Rückbank an.
    Wie ein blauer Todesengel verbreitete sich das Feuer im Wagen. Durch die Scheibe sah er schemenhaft das unfassbar ruhige Gesicht der Frau, während ihre Haare Feuer fingen.
    Das Auto stand in den Baum verkeilt. Es brannte lichterloh. Die Flammen brüllten.
    Plötzlich schien Joona zum Leben zu erwachen. Er rannte zum Auto, um die Leichen wieder herauszuholen. Er verbrannte sich die Hände an der Tür, schaffte es aber, sie zu öffnen. Als er die Tür aufriss, flammte das Feuer im Wageninneren heftig auf. Er versuchte, nach dem Körper der Frau zu greifen, ihre Jacke brannte. Die schlanken Beine in der Jeans schienen von den Flammen getrieben zu rucken und aufzustampfen.
    Papa, Papa. Hilf mir, Papa.
    Joona wusste, dass es nicht wahr sein konnte, er wusste, dass sie tot waren, ertrug es aber trotzdem nicht. Er streckte sich durch das Feuer hinein und bekam die Hand des Mädchens zu fassen.
    Im selben Moment explodierte der Benzintank. Joona nahm noch das eigentümliche Knirschen
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