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Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde

Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde

Titel: Flaming Bess 01 - Das Erbe der Erde
Autoren: Thomas Ziegler
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erreichte, erwiderten die Herculeaner das Feuer. Energiegeschosse explodierten und sprengten kopfgroße Löcher in die Treppenstufen. Ein Teil der Balustrade barst, und Splitter prasselten gegen Kas Rüstung. Ein Steinbrocken streifte ihn am Kopf. Er taumelte, wirbelte herum und gab einen kurzen Feuerstoß auf die vorderste Reihe der Herculeaner ab. Im nächsten Moment warf er sich zu Boden und glitt geschmeidig wie eine Schlange nach oben. Über ihm ein Schrei, ein dumpfes Poltern, ein Röcheln — dann Stille. Ka hob den Kopf. Der junge SD-Mann lag verkrümmt hinter der Balustrade; der Kopf seltsam verdreht, die Augen wie stumpfe Münzen.
    Dschan stieß einen erstickten Laut aus und wandte sich zur Flucht, sprang mit grotesk großen Sätzen zum Portal hinauf. Ein Energiegeschoß traf ihn in den Rücken und explodierte. Dschan wurde über die Brüstung geschleudert und verschwand. Ka biß die Zähne zusammen und hastete weiter, während das herculeanische Feuer die Balustrade zerfetzte. Mit einem verzweifelten Sprung hechtete er durch das offene Tor, rollte ab und kam wieder hoch, als Gahl Belfort und die Flüchtlingsfrauen mit vereinten Kräften die schweren, metallbeschlagenen Torflügel schlossen.
    Knirschend rastete die Verriegelung ein.
    Das Tor bebte unter den ununterbrochenen Einschlägen der Energiegeschosse, aber es hielt stand.
    Für wie lange? dachte Ka. Wenn die Herculeaner schwere Waffen einsetzen …
    Gahl trat vom Tor zurück, bückte sich und hob ihren Katzenbeutel auf. Sie sah Ka an. »Und jetzt?«, sagte sie. »Es gibt keinen zweiten Ausgang, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Die Herculeaner stellten das Feuer ein, und es wurde still. Ka drehte sich um und musterte die Tempelhalle. Dämmerlicht. Der Boden so makellosweiß und glatt wie die hohen, fensterlosen Wände, die Decke zur Kuppel gewölbt. Bis auf den Schrein war die Halle leer.
    Der Schrein erhob sich im Hintergrund der Halle, ein Altar aus blitzendem Metall, vor dem die Kinder kauerten und reglos warteten. Ka lächelte bitter.
    Sie würden vergeblich warten. Die Alte Kommandantin hörte ihr Flehen nicht; sie war taub und im Eis gefangen. Und wenn sie sie hörte, so reagierte sie nicht. Sie schlief wie seit Jahrtausenden, und die Kälte des Weltraums konservierte ihr Fleisch. Ihre Augen waren geöffnet, aber sie konnte nicht sehen. Der Abgrund der Zeit trennte sie vom Tempel und von der Welt jenseits der Tempelmauern. Sie stand aufrecht da, in einem Block aus purem Eis, in Metall gerahmt, jung und schön wie vor Äonen. In der rechten Hand hielt sie eine kleine, fremdartige Waffe.
    Auf wen zielst du, Flaming Bess? dachte Ka, während er langsam auf den Schrein zuging. Wer ist dein Feind?
    Die Kinder machten ihm bereitwillig Platz, und dicht vor dem Schrein blieb er stehen. Er hob die Hand und berührte das Eis; es war glatt und hart wie Glas, aber es war nicht kalt. Die Kälte wirkte nur nach innen, auf das Fleisch der Kommandantin. Dort, wo sie stand, durch eine fünfzig Zentimeter dicke Eis-Schicht von ihm getrennt, lag die Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt. Er fröstelte, als er an die schreckliche Kälte dachte, in der Flaming Bess seit Jahrtausenden darauf wartete, daß die Menschen ihren Schutz und ihre Hilfe brauchten. Die Stunde ist gekommen, Flaming Bess! dachte Ka. Die Stunde der größten Not. Der Tod bedroht die Menschen. Alle anderen Mittel haben versagt, und es gibt keine Hoffnung mehr. Du mußt erwachen, Flaming Bess!
    Ihr Blick war kühl und blank. Sie sah ihm ins Gesicht, aber sie sah ihn nicht. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, in die Vergangenheit, die vergessen und verloren war wie die mythische Erde. Ihr Haar war kurzgeschnitten, ihre Haut von einem hellen Bronzeton, ihr Antlitz wie in Glas gegossen. Ihre Kleidung war so fremdartig wie die Waffe in ihrer Hand: eine tief ausgeschnittene, ärmellose Bluse mit hornartigen, hochstehenden Schulterteilen; eine dunkle, seidig glänzende Hose mit einem breiten Waffengurt; und Stiefel aus perlgrauem Leder.
    Ihr Blick, ihr Gesichtsausdruck, ihre ganze Haltung — als wäre sie von einem Moment zum anderen zu Eis erstarrt. Es war verwirrend; es war ein Mysterium.
    Erst jetzt begriff Ka, warum sich die Legende von Flaming Bess über all die Jahrtausende hinweg erhalten hatte. Es bedurfte keiner Worte, um die Legende von der Wächterin im Eis zu verstehen. Ein Blick genügte, und man wußte instinktiv, daß sie Wacht hielt.
    Er hörte Schritte; Gahl Belfort trat an
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