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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm
Autoren: Mirinda Jarrett
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ihm gelungen wäre. Und sie hatte nichts dagegen unternommen. Im Gegenteil, sie hatte sich sogar in eine Lage gebracht, in der sie beinahe von dem Mörder ihres Ehemanns vergewaltigt worden wäre.
    Benommen ließ sie sich von Jonathan über die Leiche heben. Als er Demaris umarmte und fragte, ob sie wirklich unversehrt sei, nickte sie nur stumm und folgte ihm durch die Tür hinaus zur Kajütstreppe. Erst jetzt sah sie bewusst Grahams Blut auf Jonathans Hemd. Was würde sie getan haben, wenn sie Jonathan auf dieselbe Weise verloren hätte wie Eben, und wenn ihr Kind auf die Welt gekommen wäre, ohne jemals seinen Vater kennenzulernen?
    Auf der Treppe blieb sie stehen. Sie vermochte Jonathan noch nicht zu folgen, der jetzt über das Deck zu den an der Reling zusammengedrängten Männern sprang.
    Der Seewind fühlte sich kühl an Demaris’Wangen an. Salzig und frisch umwehte er sie nach der stickigen, abgestandenen Luft unter Deck. Steuerbords, am östlichen Horizont, färbte sich der Himmel graurosa. Ihr fiel auf, dass die Schaluppe offensichtlich die Richtung geändert und wieder Kurs auf Newport genommen hatte.
    Jonathan hatte also schließlich gewonnen. Für ihn gab es jetzt keine Freibeuterei, keine Piraterie und keine Fahrten in die Karibik mehr.
    Neben ihm an der Reling erkannte sie Kapitän van Vere an seinem langen blonden Haar, das im Wind wehte, sowie Tom Cooke, und in der Ferne konnte sie ein anderes Segelschiff ausmachen, das unter vollem Tuch auf die Schaluppe zuhielt.
    Demaris legte die Ellbogen auf den Lukenrand, schloss die Augen und genoss es, wie der Wind in ihrem Haar spielte. Jemand packte sie von hinten am Arm und schob sie unsanft die letzten Treppenstufen zum Deck hinauf. Roger! Sie brauchte nicht erst sein Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass er es war. Sie erkannte ihn an dem Karneolring an der Hand, die sich um ihren Arm schloss, und an dem feinen Spitzenbesatz, der seine Manschette schmückte.
    Sie wollte sich zu ihm umwenden, doch da fühlte sie den kalten Lauf einer Pistole an ihrer Wange. Vor sich sah sie die der See zugewandten Gesichter. Die Männer standen so still wie Statuen. Mitten unter ihnen befand sich Jonathan, und er schaute zu der Luke des Niedergangs. Demaris fragte sich, ob die anderen seine Furcht so deutlich erkannten, wie sie sie sehen konnte.
    „Lasst sie los, Allyn“, befahl er. „Auf diese Weise gewinnt Ihr nichts. Graham ist tot, und seine Männer mit ihm.“
    „Und das Segelschiff dort, das ihr alle so faszinierend findet, ist die ,Prince William“, die mich zum Galgen bringen will“, stellte Roger grimmig fest.
    „Oh, ich kenne sie gut“, fuhr er fort, „und es schmeichelt mir, dass ich für so wichtig befunden werde, dass man mich mit einem Schiff der Königin verfolgt. Bedauerlicherweise ist die ,Prince William“ eine lahme Ente, und ihr Kapitän ist ein vorsichtiger alter Narr. Es dürfte Euch nicht schwerfallen, ihr davonzusegeln, Kapitän Sparhawk.“
    „Die ,Leopard“ ist wieder ein ehrenwertes Schiff“, erklärte Jonathan fest. „Wir segeln nichts und niemandem davon.“ „Entweder Ihr glaubt mir nicht, dass ich Demaris tatsächlich etwas antue, oder es ist Euch gleichgültig, was mit ihr geschieht.“ Roger schlang einen Arm fest um Demaris’Taille. „Einer von uns beiden ist ein Glücksspieler, Sparhawk. Möglicherweise sind wir es auch beide. Doch selbst wenn die Frau Euch nichts bedeutet, kann ich mir vorstellen, dass Euch an dem Balg etwas liegt, das sie in ihrem Leib trägt. Es sei denn, es ist überhaupt nicht Eures.“
    Jonathans Gesicht spiegelte seine Verwirrung. Demaris wünschte nur, sie hätte schon früher die Gelegenheit gehabt, es ihm selbst mitzuteilen. „Es ist wahr, Jonathan!“, rief sie, und sofort stieß Roger ihr den Pistolenlauf wieder ins Gesicht, um sie zum Schweigen zu bringen.
    „Da habt Ihr’s, Kapitän. Ihr habt es aus dem Mund meiner lieben Schwägerin gehört. Und was tut Ihr nun?“
    Jonathan schwankte nicht einen Moment. „Wenden, Ned! “, befahl er dem Mann am Ruder. „Und Signal an die ,Prince William“, dass wir es uns anders überlegt haben. Nun, Allyn, lasst Ihr sie jetzt los?“
    Demaris fasste es nicht. Nach allem, was Jonathan auf sich genommen hatte, um seine Schaluppe zurückzuerlangen, gab er innerhalb eines einzigen Augenblicks auf, und nur ihr zuliebe? Diese Vorstellung ertrug sie nicht. Doch diesmal wollte sie ihn nicht enttäuschen. Schon einmal war sie Roger entkommen, und das würde
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