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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm
Autoren: Mirinda Jarrett
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niemand umkam, der ihr bei ihrem gefährlichen Geschäft half.
    Doch nun war dieser Fremde aufgetaucht und hatte die Dinge noch mehr kompliziert. Demaris wusste schon jetzt, dass Jonathan Fragen stellen würde, wenn er wieder bei Kräften war. Direkt lügen wollte sie nicht, und ausweichende Antworten zu geben war nicht ihre Stärke.
    Jonathan Sparhawk würde nicht allzu viel Zeit brauchen, um herauszubekommen, womit sie ihre Nächte verbrachte. Und dann würde er sie und ihre Helfer der ausgesetzten Be-lohnung wegen bei der Zollbehörde anzeigen, oder würde er Schweigegeld verlangen?
    Und was den Kuss betraf, nun, dergleichen würde sich nicht wiederholen, ganz einfach. Demaris’ Wangen wurden heiß bei der Erinnerung daran, was sie Jonathan erlaubt hatte - nein, was sie selbst so schamlos getan hatte! Sie würde den Mann nie wieder ansehen können, ohne sich zu schämen. Seufzend steckte sie eine lose Haarsträhne unter ihre Haube zurück und wandte sich dem Strandpfad zu.
    Bald sah sie die blasse Rauchfahne, die aus dem Schornstein des nicht allzu weit entfernten Hauses der Turners aufstieg. Dieses Haus war wesentlich kleiner als ihres. Es besaß nur eine Küche, eine kleine Diele und einen Schlafraum unter dem Dach. Die Außenwände waren mit groben Schindeln bedeckt, der Fußboden im unteren Geschoss bestand aus festgetretenem Sand, und die wenigen Möbelstücke hatte Caleb selbst, und kein Londoner Möbeltischler gebaut.
    Dennoch war das Haus besser als das, was Pächter gewöhnlich erwarten konnten, und es übertraf alles, was Herren ihren Sklaven üblicherweise zur Verfügung stellten. Das hatte Eben Demaris gegenüber oft genug betont.
    Für ihn waren Caleb, Ruth sowie die Söhne der beiden ein Eigentum und gehörten zu Nantaskets lebendem Inventar wie die Rinder und Pferde. Für Demaris hingegen waren es Menschen, und so behandelte sie sie auch, was allerdings Ebens Vorstellung von sozialer Rangordnung zuwiderlief.
    Obschon sie wusste, dass er es nicht gebilligt hätte, war es nach seinem Tod ihr erstes Anliegen gewesen, den Turners die Freiheit zu schenken und somit aus Sklaven freie Pächter zu machen. Das hatte den Wert des gesamten Grundbesitzes zwar um einige Hundert Pfund geschmälert, doch Demaris hatte es noch keine Sekunde bereut.
    „Ihr wollt, dass ich Euch beim Aufbahren Eures Schiffbrüchigen helfe, nicht wahr, Mistress?“, fragte Ruth, nachdem sie Demaris die Tür geöffnet hatte. Eli, ihr jüngster Sohn, zappelte auf ihrem Arm. Sie drückte ihn in Demaris’ ausgestreckte Hände und wischte ihm das mit Haferbrei vollgekleckerte Kinn sauber.
    Ruth war eine gutaussehende Frau, stark und geradegewachsen. Sie besaß makellos reine dunkelbraune Haut und etwas schrägstehende Augen von der Farbe dunklen Bernsteins. Zwar nannte sie Demaris aus reiner Gewohnheit „Mistress“, doch die beiden Frauen verband viel mehr.
    „So wie Caleb die Verletzungen des Mannes geschildert hat, habe ich Euch eigentlich schon viel früher erwartet“, fuhr sie fort.
    „Nein, Ruth, diesmal irrst du dich.“ Lächelnd legte sich Demaris das Baby in den Arm. Die anderen drei fast schon erwachsenen Söhne der Turners befanden sich mit ihrem Vater bei der Feldarbeit. Elis Geburt vor fünf Monaten war so etwas wie eine freudige Überraschung gewesen, und wie Ruth stets voller Stolz feststellte, war er als Einziger von ihnen in Freiheit zur Welt gekommen.
    „Das Fieber des Mannes ist gestern Nacht gebrochen, Ruth, und ich glaube, so Gott will, wird er überleben.“
    Ruth zog die Augenbrauen hoch. „Was wollt Ihr denn dann von mir? Ihr habt ihn doch auch ohne meine Hilfe gut genug versorgt, wenn Ihr es geschafft habt, seine sündige Seele vor der Verdammnis zu retten.“
    „Du weißt doch gar nicht, ob er sündig ist oder nicht, Ruth“, schalt Demaris. „Weder du noch ich haben das Recht, ihn zu verurteilen.“
    „Na, jedenfalls ist er keines von Euren Möwenküken, das sich einen Flügel gebrochen hat.“ Mit beiden Händen nahm Ruth einen Kessel auf, hakte ihn an die Stange über dem Feuer und ließ ihn dabei absichtlich geräuschvoll gegen die Herdsteine schlagen. „Wenn Ihr mich fragt - Ihr hättet ihn besser am Strand seinem Schicksal überlassen sollen.“
    Eli rührte sich in Demaris’ Armen, und sie ließ ihn an ihrem Finger nuckeln. „Du weißt, dass ich so etwas niemals tun würde, Ruth. Es wäre nicht christlich, einen armen Fremden einfach sterben zu lassen.“
    Ruth schnaubte verächtlich. „Eure
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