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FKK im Streichelzoo - Roman

FKK im Streichelzoo - Roman

Titel: FKK im Streichelzoo - Roman
Autoren: Bjoern Berenz
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befallen zu werden. Diese Reaktion erlebe ich häufig, wenn ich Menschen von meiner Schriftstellerei erzähle. Aber selten ist der Moment derart frustrierend wie jetzt.
    »So wie Raumschiff Entenscheiß , he?« Rüdiger lacht laut und mit Auswurf über seinen eigenen Witz, der mindestens so alt ist wie die eingetrockneten Essenreste auf seinem T-Shirt.
    »Ja. Genau so«, trotze ich zurück. Meine Laune ist nun endgültig am Nullpunkt angelangt. Nicht nur, dass ich nicht die leiseste Ahnung habe, wie ich den Plot mit einem cleveren Kniff voranbringen soll, ich muss mich auch noch akribisch an ein Datenblatt halten, das die Technik der Maruder zusammenfasst. Und in Sachen Technik habe ich von Tuten und Blasen keine Ahnung. Erst recht nicht, wenn es um den Fortschritt im Jahre 1250 neo-interstellarer Zeitrechnung geht, was in etwadem Erdenjahr 3555 entspricht. Textpassagen wie diese hasse ich mehr als Double-Penetration-Szenen, bei denen ich unten liege. Aber sie gehören nun mal in jedes dämliche Manuskript wie exotische Außerirdische und ausufernde Materialschlachten in einer fernen Galaxis.
    Es ist eine Schande, dass eine derart fantastische Serie wie Jerry Lightning einen so unfähigen Exposé-Autor wie Doktor Eckard N. Bellinghausen an der Spitze hat. Dabei ist es nicht nur der Neid, der aus mir spricht. Ich würde lügen, wenn ich abstreiten würde, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als seine Position zu besetzen. Der mächtigste Mann im Jerryversum zu sein, der sich nicht mehr die Mühe machen muss, Seite um Seite mit astrotechnischem Firlefanz, intergalaktischen Ränkespielen und extraterrestrischem Schlachtengetümmel zu füllen, sondern der nichts anderes tut, als die zu schreibende Geschichte des Heftromans auf ein paar Seiten grob zu skizzieren und das Exposé dann an einen seiner Handlanger weiterzugeben, der es in Reinform bringt. Das ist die Brücke, die Kommandozentrale, der fleischgewordene Todesstern im Jerryversum! Die Geschicke von Jerry Lightning in der Rolle des dunklen Imperators zu lenken, wie ein Puppenspieler an den Fäden der Handlungsstränge zu ziehen und der Serie die epische Tiefe zuteilwerden zu lassen, die sie so sehr verdient … Das muss echtes Lebensglück bedeuten!
    Doch von keinem Ziel könnte ich derzeit weiter entfernt sein. Der Doktor hasst mich seit dem ersten Tag, und noch mehr hasst er meine Manuskripte. Und er wird nicht müde, mir beides unter die Nase zu reiben. Aber davon lasse ich mich nicht beirren. Also Augen zu, Sitznachbarn ausblenden und durch:

    Der sechsarmige Maruder manövrierte das Steuerelement mit seinem Ordinärgehirn, und kransingtikative Fluralkappen …
    Ehe ich den Satz zu Ende schreiben kann, wird der Bildschirm schwarz.
    »Akku leer, he?«, stellt Rüdiger scharfsinnig fest.
    Vielleicht ist es der Akku. Vielleicht aber auch nur mein beschissenes Karma, das mich durch halb Europa verfolgt wie ein Straßenköter eine läufige Hündin.
    Ruhig bleiben, ermahne ich mich, und hole tief Luft. Keine gute Idee, wie sich bald herausstellt, denn der Geruch von Rüdigers Füßen zieht in meine Nasennebenhöhlen und ist drauf und dran, sich dort häuslich einzurichten. Mit angehaltenem Atem und Scheuklappenblick (Jetzt bloß nicht an die ungepflegten gelben Zehen in den offenen Sandalen denken!) bücke ich mich nach unten und krame das Netzkabel aus meiner Umhängetasche. Ich finde es sofort und halte es triumphierend in die Luft.
    Dann lasse ich meinen Blick über meine nähere Umgebung wandern und lande wieder bei Rüdiger, der mir das breiteste Grinsen seit Bob Marley schenkt und den Kopf schüttelt. »Vergiss et, Alter. Die Steckdosen in der zweiten Klasse sind allesamt ausgefallen. Wegen dem Nebel. Hat der Schaffner vorhin schon gesagt, als du noch … überlegt hast.«
    Ich sehe mich um. Tatsächlich. Im gesamten Abteil erspähe ich niemanden, der hochkonzentriert und superwichtig auf sein Notebook einhackt. Was der Steckdosenausfall aber mit dem Dunst vor dem Fenster zu tun haben soll … na ja. Die Bahn hat ja selbst bei siebenundzwanzig Grad Celsius und strahlend blauem Maihimmel Probleme mit der Witterung. Entnervt klappe ich das Powerbook wieder zu, lasse es aber als Zeichen meines grundsätzlich guten Willens auf dem Klapptischchen vor mir liegen.
    Neben meiner anhaltenden schlechten Laune breitet sich ein zweites, immer stärker werdendes unangenehmes Gefühl in meiner Magengrube aus. Allmählich steigt die Nervosität in mir an wie der
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