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Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Titel: Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
Autoren: Kerstin Gier
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möglich schon reduziert. Aber Wintermäntel waren Mangelware im Januar, die wenigen, die reduziert waren, sahen auch so aus.
    »Wintermäntel musst du Anfang August kaufen, genau wie Skischuhe«, meinte Bille fachmännisch. »Jetzt ist Saison für Badeanzüge.«
    Es war knapp unter null, beim Sprechen bildeten sich weiße Wölkchen vor dem Mund. Ich fand, es wurde höchste Zeit für eine Pause im Café bei heißem Kakao mit Sahne.
    »Also wenn dieser Mick nicht kommt, dann sehe ich wirklich keinen Grund mehr, diese ganze Lernerei auf mich zu nehmen.« Etwas abgelenkt begann ich, in einer Broschüre zu blättern. Wir waren an einem Stand angekommen, hinter dem uns junge Menschen verbindlich anlächelten, die trotz der bitteren Kälte auffallend adrett gekleidet waren. Auf den Titelblättern der gegen Bares zu erwerbenden Broschüren spielten blonde Kinder vor den Toren von Kernkraftwerken, und über den Blättern einer Eiche stand fett gedruckt: »Der deutsche Wald stirbt nicht.«
    Endlich mal eine erfreuliche Meldung.
    »Dann ruf’ ich ihn eben an«, versprach Bille. »Sicher hat dieser dröge Segellehrer nicht meinen Charme und mein Überredungstalent. Wenn ich mit Mick spreche, kommt er bestimmt.«
    »Wollen Sie bitte unterschreiben?«, fragte eine der adrett gekleideten jungen Damen und hielt uns einen Kugelschreiber hin. Immer gerne bereit, für eine gute Sache zu unterschreiben, nahm ich ihn entgegen.
    »Worum geht es denn?«
    »Eine Petition an den Bundestag«, erläuterte die Adrette. Mehr brauchte man mir nicht zu sagen, ich war dabei. Neben mir unterschrieb bereits mit zitternder Hand eine alte Frau. Was waren unsere Senioren doch für politisch engagierte Bürger! Daran sollte man sich ein Beispiel nehmen.
    »Geben Sie her«, meinte ich aufmunternd. »Ich will auch unterschreiben.«
    Die alte Frau lächelte mich an. »Dat iss für eine jute Sache.«
    »Von wegen! Nix da!« Bille stieß mich in die Rippen und deutete mit dem Finger auf die Überschrift der Petitionsliste. »Bist du etwa dafür, dass Frauen, die abtreiben, auf den elektrischen Stuhl kommen?«
    Erschreckt ließ ich den Stift fallen.
    »Wir sind lediglich für den Schutz des ungeborenen Lebens«, mischte sich die Adrette ein.
    »Ja, ja, und der deutsche Wald stirbt nicht, und Kernkraft, ja bitte«, sagte Bille. »Das kennt man.«
    »Sie sind wahrscheinlich wie die meisten Bürger auf die Panikmache in den Medien hereingefallen«, baute ihr die Adrette eine Brücke. »Kaufen Sie unsere Broschüren, dann sind Sie darüber informiert, wie es tatsächlich um unser Heimatland bestellt ist.«
    »Nein, danke«, erwiderte Bille kühl. »Mir ist schon schlecht.«
    Ich sah mich nach der netten alten Frau um, die bereits ihre Unterschrift unter die Petition gesetzt hatte. »Warten Sie! Wollen Sie wirklich, dass Frauen, die abtreiben, hinter Gitter kommen?« Bestenfalls.
    »Welsche Frauen?«, fragte die Omi zurück und hielt sich eine Hand hinters Ohr.
    »Die Frauen, die ungewollt schwanger werden«, wiederholte ich mit ungefähr fünfhundert Dezibel.
    »Ja, ja, dat iss schlimm«, sagte die Omi bekümmert. »Wat da für’n Schlamassel draus werden kann, da kann isch ein Liedschen vun singen.«
    Und das tat sie auch. Sie erzählte, was dem Jüngsten von Käthes Bruder passiert war. »Dat het sisch mit einem aus Zülpisch-Ülpenisch einjelassen, obwohl dat Käthe und dat Maria, wat däm Käthe singem Broder sing Frau iss, gleisch jesacht hatten, dat der nix taugen tät. Dat Jugendamt wor schon viermal dajewesen, weil der Daniäll, also der Sohn von däm Barbara und däm Hallodri aus Zülpisch-Ülpenisch, Autoradios und Handtaschen klauen und kleine Kinder verhaue tät. Wie finden Sie denn dat?«
    »Schrecklich«, entfuhr es mir beeindruckt.
    Die Omi nickte. »Dat hätte mer doch verhindern müsse«, fand sie und zeigte auf die Petitionsliste. »Isch dachte, dat hier iss für dat Mütterjenesungswerk, wat ja an und für sisch eine janz jute Sache iss, wenn dä Schlamassel dann doch passiert iss, oder wat iss dat jetzt?«
    Ich antwortete schon leicht heiser, aber immer noch so laut, dass die gegenüberliegenden Schaufenster schepperten.
    »Da han die misch wohl betuppt?«, schloss die Omi empört. Und betuppen ließ sie sich nicht. Aber die Petitionsliste hatte inzwischen ein sauber gescheitelter, jugendlicher Kollege der Adretten an sich genommen.
    »Volksverhetzung«, sagte er zu mir. »Was Sie da betreiben, ist Volksverhetzung.« Die Adrette nickte
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