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Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Titel: Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
Autoren: Kerstin Gier
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Freund und Liebhaber, anzuführen. Leonard war ein ziemlich zeitaufwendiges und pflegeintensives Hobby, und ich überlegte schon seit geraumer Zeit, es wieder aufzugeben.
    Ich war mal sehr in Leonard verliebt gewesen, ich hatte ihn sogar für die große Liebe schlechthin gehalten. Mittlerweile bin ich allerdings anderer Ansicht. Dabei war Leonard, grob betrachtet, wirklich beziehungsfähig. Er sah gut aus, verdiente sein eigenes Geld und vergaß niemals meinen Geburtstag. Er betrog mich nicht (oder wenn doch, dann so geschickt, dass ich absolut nichts davon merkte), und er hatte im Großen und Ganzen die gleiche Einstellung zum Leben wie ich. Nein, grob betrachtet war mit ihm alles in Ordnung.
    Es waren Kleinigkeiten, die mich zu einer Meinungsänderung veranlasst hatten, jene scheinbar völlig nebensächlichen Eigenarten, die man bei sich selber klaglos akzeptiert, ja sogar still und heimlich für sympathisch hält.
    Eben diese Kleinigkeiten töteten mir bei Leonard den letzten Nerv. Die Art, wie er das Frühstücksei köpfte, nämlich die breite Spitze zuerst. Oder wie er nieste. Nicht »hat – schi« wie jeder normale Mensch, sondern »hu – scha!« Unerträglich. Und dann aß er Nudeln zusammen mit Apfelmus! Hat man so was schon mal gehört?
    Das absolut Schlimmste aber war seine Angewohnheit, kleine Verse vor sich hin zu sprechen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die Kinderreime, die den lieben Kleinen die Tücken des Lebens erleichtern sollen, hatte Leonard sich genau eingeprägt, und seit Kindergartenzeiten waren sie ein unverzichtbarer Teil seines Alltags. Er war eben ein Mann mit Sinn für Traditionen.
    »Die Schlinge durch das kleine Törchen, fertig ist das Hasenöhrchen«, sagte er, wenn er sich die Schuhe zuband.
    Aß er etwas mit den Händen, leckte er diese hinterher einzeln ab und sagte dabei: »Erst kommt der Daumen, der schüttelt die Pflaumen, der hier sammelt sie auf, der trägt sie weg, und der kleine Schelm hier isst sie alle wieder auf!«
    In den Sommernächten bei der Stechmückenjagd hatte Leonard eine ganz besondere Methode, reglos mit einem Buch dazustehen, die Mücke mit den Augen zu verfolgen und zu warten, bis sie sich an Decke oder Wand niederließ. Dabei murmelte er: »Ich hab’ gefischt, ich hab’ gefischt, ich hab’ die ganze Nacht gefischt und keinen Fisch er …« Zong! Das Buch landete genau auf der Mücke und pulverisierte sie in Sekundenbruchteilen. »… wischt!«
    Es war wirklich zum Verzweifeln. Der Vers aber, der das Fass bei mir endgültig zum Überlaufen brachte, blieb mir lange unbekannt. Das lag daran, dass wir nach anderthalb Jahren immer noch nicht so vertraut miteinander waren, in Hör- oder Sichtweite des anderen die Toilette zu benutzen. Erst als ich eines Winterabends in meiner Wanne lag und Leonard mal ganz dringend pinkeln musste, wurde ich Zeuge dieser dramatischen Szene.
    Zuerst hörte ich ein melodisches Murmeln.
    »Heile, heile, Gänschen, die Katze hat ein Schwänzchen«, worauf es fröhlich zu plätschern begann. Als es zu plätschern aufhörte – während der ganzen Zeit stockte mein Atem –, war es eine Weile still. Dann hörte ich ihn sagen: »Kannst du schütteln, kannst du klopfen, in die Hose geht der letzte Tropfen!«
    Vor lauter Schreck flutschte mir die Seife aus der Hand und knallte gegen die Deckenlampe. »Kannst du schütteln, kannst du klopfen …!« Also nä! In dieser Nacht musste Leonard in seiner Wohnung schlafen, und ich trug mich ernsthafter als jemals zuvor mit dem Gedanken, ihn endgültig abzuschaffen.
    Aber zwei Wochen später machte er mir einen Heiratsantrag, und ich war gerührt, weil es mein allererster Heiratsantrag war. Schon aus diesem Grund hätte ich beinahe ja gesagt. Glücklicherweise konnte ich mich gerade noch mal beherrschen.
    »Sag mal«, begann er. »Wie sieht das aus? Heiraten wir eigentlich demnächst mal?«
    Wie gesagt, ich konnte mich gerade noch beherrschen.
    »Och nö«, sagte ich.
    Zumal auch unsere Freizeitaktivitäten nicht optimal aufeinander abgestimmt waren. Bei der Auflistung meiner Hobbys vorhin habe ich meine Vorliebe fürs Kino vergessen. Kino musste mindestens einmal die Woche sein, und da Leonard fast alle Filme doof fand, ging ich meist ohne ihn. Er mochte nur ausgesuchte Actionfilme und eine bestimmte Sorte Weltraumabenteuer. Alle anderen Filme nur, wenn viel Sex darin vorkam und/oder wenn Demi Moore mitspielte. Aus diesem Grund war ich um so verwunderter, als er einwilligte, mit mir in
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