Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje

Titel: Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
dazu.
    Die Omi wackelte indessen um den Stand herum.
    »Volksverhetzung?«, wiederholte Bille. »Und wie nennt sich das, was ihr hier betreibt?«
    »Wir sind immer noch per Sie«, fuhr ihr die Adrette über den Mund, aber ihr gescheitelter Kollege antwortete, ganz wie man ihn gelehrt hatte: »Aufklärung am Bürger nennt man das.«
    Dabei grinste er blöde. Das Grinsen aber verging ihm im gleichen Augenblick, denn nun hatte die Omi ihn erreicht und entriss ihm mit einer ruckartigen Handbewegung die Petitionsliste. Mit der anderen Hand hielt sie ihren praktischen Taschenschirm umfasst. Sie sah aus wie zu allem bereit.
    »Nischt mit mir!«, sagte sie und griff sich einen Kugelschreiber mit dem Aufdruck ›Deutschland den Deutschen‹. Mit diesem machte sie sich daran, ihren Namen und auch alle anderen Namen von der Liste zu streichen. Die Adrette und der Gescheitelte wichen ein paar Schritte zurück. Offenbar hatte man sie noch nicht darin geschult, wie sie mit renitenten, bis unter die Zähne bewaffneten Seniorinnen umzugehen hatten. Stellvertretend beschimpften sie Bille und mich.
    »Grüne Spinner«, fing die Adrette ganz harmlos an.
    »Dreckiges Kommunistenpack«, setzte der Gescheitelte einen drauf. Und von da an waren sie nicht mehr zu halten.
    »Du schmutzige Sowjethure«, rief die Adrette Bille ins Gesicht, obwohl die beiden ja offiziell immer noch nicht per du waren.
    Die Omi hatte in der Zwischenzeit ihr Zerstörungswerk vollendet, warf die Petitionsliste auf den Tisch zurück und schulterte triumphierend ihre Handtasche.
    »Verlauste Kommunistennutte«, kreischte mich die Adrette an. Das war selbst für die schwerhörige Omi verständlich. Wieselflink hatte sie den Schirm mit beiden Händen gepackt, ausgeholt und – zong – der Adretten über den Kopf gezogen.
    »Solsche Worte jehören sisch nisch für su e jung Mädsche. Dat iss unfein«, erklärte sie dabei streng, lächelte mir noch einmal kameradschaftlich zu und war mit ihrem Regenschirm im Nu in der Menge verschwunden. Schade, ich hätte sie gern noch gefragt, was aus Barbara, der jüngsten Tochter von Käthes Bruder, eigentlich geworden war. Aber in Anbetracht der Umstände war es wohl besser, sich aus dem Staub zu machen. Der Gescheitelte und die Adrette sahen nämlich fuchsteufelswild aus. Bille und ich zogen es vor, unsere Beine in die Hand zu nehmen.
    »Na, wie hat Bille die Sache mit Mick aufgenommen?«, erkundigte sich Rebecca, als ich wieder zu Hause war.
    »Sehr schlecht«, log ich. »Aber im Notfall ist sie bereit, bei ihm anzurufen und ihn zu überreden, doch noch mitzumachen.«
    Rebecca war tief über das Giraffenkleid gebeugt. »Na ja, und vielleicht kommen ja auch noch andere tolle Typen.«
    »Ja, jede Menge tolle Typen über siebzig, die eine Gebissdose am Gürtel tragen, für alle Fälle. Vergiss es, wir werden uns wohl tatsächlich auf das Segeln konzentrieren müssen.«
    »Ja«, meinte Rebecca. »Auf jeden Fall ist man auf diese Weise jeden Mittwochabend außer Haus. Das allein hat schon was für sich.«
    »Spinnst du?« So was Undankbares aber auch. Da hatte sie den liebsten Mann der Welt, ein entzückendes Baby und eine tolle Wohnung, in der sie sich nach getaner Arbeit erholen konnte, und wollte sich doch lieber einen Abend im Seniorenheim um die Ohren schlagen. »Klappt es nicht mehr so mit dir und Kaspar?«
    »Doch, doch«, erwiderte Rebecca einsilbig. Kaspar und sie kannten sich seit vier Jahren, und Kaspar war einer von den Männern, die in mir immer noch die Hoffnung nährten, doch noch einmal den sogenannten Richtigen zu treffen. Er war Cellist im Gürzenichorchester und verdiente als solcher nicht mal schlecht. Mehrere Wochen im Jahr war er auf Tournee – in diesem Jahr Island, auch nicht gerade eines meiner Traumziele –, aber dafür hatte er danach auch mehrere Wochen hintereinander probenfrei.
    Durch seine flexiblen Proben- und Konzertzeiten konnte er mindestens fünfzig Prozent der Betreuung für Charlotte, seine und Rebeccas knapp einjährige Tochter, übernehmen, was er auch tat, und ganz offensichtlich mit Freude. Dabei sah er mindestens durchschnittlich gut aus und hatte noch alle seine Zähne. Außerdem bügelte er seine Hemden selber und konnte wunderbar kochen. Rebecca hatte wirklich keinen Grund, sich über ihn zu beschweren.
    Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie beschissen sie in den ersten Wochen nach Charlottes Geburt ausgesehen hatte. Übergewicht, fettige Haare, die gleich büschelweise
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher