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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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Hohenloher, da war ein bisschen allgemeiner Nationalstolz durchaus legitim. Sie blieben einfach auf dem Weg stehen und ließen die Szenerie auf sich wirken. Lisa zückte den Flyer und identifizierte einige Figuren gleich als das, was sie darstellen sollten, manche wirkten hingegen charmant-naiv, trotzdem waren alle bezaubernd. Es gab eine Cinderella-Kutsche, Schneewittchen mit den sieben Zwergen, ein Märchenschloss, ein Rotkäppchen mit dem bösen Wolf – der Wolf wirkte ungemein niedlich – die Bremer Stadtmusikanten und vieles mehr. Heiko zog Lisa an sich und küsste ihren Nacken. Selbst er wurde da romantisch, dachte sich Lisa und lehnte sich mit leichtem Grinsen an ihn. »Sou, seid ihr aa doo«, machte es plötzlich von hinten, und die beiden Kommissare drehten sich um. Nach kurzem Nachdenken erkannten sie einen der Freibadstammtischler, Mauser, wenn sich Heiko richtig erinnerte. »Na, hebt ihr scho ebbes rausgfunda?«, fragte er. Typisch. Das wäre natürlich eine Sensation, wenn man als Erster im Dorf wüsste, wer den Siegler umgebracht hatte. Heiko schüttelte also mit einem so grimmigen Blick den Kopf, dass Mauser zusammenzuckte und schnell das Thema wechselte. »Und, hebt ihr scho ebbes gessa?«
    »Wir sind grad erst gekommen«, antwortete Heiko.
    »Ha, no kummt ihr mit ins Freibad, do gibt’s a super Schlachtplatte«, schlug Mauser vor. Lisa wirkte, als würde sie zuerst das Areal vollständig besichtigen wollen, außerdem war ihr die Schlachtplatte latent suspekt, wer wusste schon, was die Hohenloher da wieder für Spezialitäten aufwarteten. Bei ihrem ersten Volksfest hatte sie ja ein geradezu traumatisierendes Kuttelerlebnis gehabt. Heiko hingegen war für Schlachtplatte immer zu haben. Vielleicht ließe sich ja außerdem der neueste Dorfklatsch aufschnappen, der ihnen unter Umständen helfen könnte. Sie folgten also dem Mann, der trotz Heikos bösen Blicken beständig versuchte, Neuigkeiten über den Mord zu erfahren.

    Am Freibad musste man heute keinen Eintritt bezahlen. Auch hier waren Lichterketten aufgehängt, auf dem Gelände des Freibades selbst waren unzählige Leuchtbögen, oberhalb des Beckens hatte man gar einen wunderschön arrangierten Schwan aufgestellt, der sich plakativ in den vom leichten Abendwind bewegten Wellen spiegelte. Dicht an dicht saßen die Gäste der improvisierten Wirtschaft, und die drei fanden nur deshalb einen Platz, weil an einem Tisch in der Mitte gerade einige Leute aufstanden und gingen. Über allem lag der würzige Duft von irgendwas Fleischigem, den Heiko sofort als den typischen Schlachtplattengeruch identifizierte. Die drei ließen sich neben zwei mittelalten Pärchen nieder, die offenbar bereits gegessen hatten. »Ach, ihr seid die Bollizischda, gell?«, wurden sie von einer der Frauen, einer drallen Rothaarigen, begrüßt. Wieder wunderten sich die Kommissare keine Sekunde, dass das allgemein bekannt war. »Und, wisst ihr scho, wer der Mörder is?«, fragte die Frau weiter.
    »Noch nicht«, meinte Heiko vage und bestellte bei der soeben erschienenen Bedienung ein Bier und eine Schlachtplatte, während Lisa sich nach einem Blick auf das Kesselfleisch vom Nachbartisch, das ihr definitiv zu fettig war, für die Bratwürste und eine Fanta entschied. »Habt ihr denn eine Idee?«, fragte Lisa und verwendete gekonnt das in Hohenlohe übliche Plural-Ihr, wohl um Vertrauen zu erwecken, wie Heiko mutmaßte. »Da gab es ja diese Zettel im Dorf«, meinte die zweite Frau, eine dürre, gestylte Blondine. »Dass es die Ehefrau gewesen sei«, mischte sich einer der Männer, ein unscheinbarer Brünetter, ein.
    »Und? Glaubt ihr das auch?«, forschte Heiko. Die Bedienung brachte die Getränke und das Essen, das hier offenbar im Akkord serviert wurde. Lisa ergriff das Getränk sofort und trank durstig. Anschließend betrachtete sie prüfend ihre Bratwurst und schnitt ein Stück ab, um es gleich darauf zu probieren und für hervorragend zu befinden. Ungläubig schielte sie zu Heikos Schlachtplatte hinüber. Einerseits lag natürlich Sauerkraut auf dem Teller, wie auf ihrem auch, aber andererseits lagen zwei Würste von speckigem Glanz und undefinierbarer Farbigkeit darauf. Die eine war hellrosa-gräulich, die andere dunkelviolett. »Was ist das jetzt genau?«, fragte Lisa also mit einer Art von wissenschaftlichem Interesse, während die Übrigen am Tisch »An Guada« wünschten. Heiko deutete auf die hellere Wurst. »Das da ist Leberwurst«, nun zeigte seine Gabel auf die
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