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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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Waagrechten. Vielmehr stach das Flugzeug fast senkrecht nach oben, und seine Insassen wurden in den Sitz gepresst. Mit einem Ruck klinkte sich das Stahlseil aus, um gleich darauf auf die Winde zurückzuschnellen. Das Geräusch, das dabei verursacht wurde, hörten die Insassen nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn das Flugzeug stieg weiter, weiter und weiter, senkte endlich seine Schnauze leicht nach vorne und kehrte mit sanftem Wippen in die Waagrechte zurück. Lisa merkte an der Tatsache, dass sie tief durchschnaufte, dass sie das Atmen vergessen hatte. Und dann schwebten sie. Unten glitzerte der Reiglersbachsee, und am Horizont ging die Sonne unter. Unter ihnen kleine Dörfer, Weipertshofen, Gerbertshofen, Alexandersreut, Käsbach, dazwischen wie dunkelgrüne Teppiche Wälder. Äcker, die ein buntes Muster auf die Fläche malten, die einen brachliegend und braun, manche mit goldgelbem Weizen und Gerste, andere mit sattgrünem Mais. Und über dieser Landschaft schwebten sie, und es war schön. Lisa vergaß sogar für einen kurzen Moment ihre Höhenangst. Zumindest so lange, bis der ansonsten schweigsame Pilot verkündete, er habe eine tolle thermische Strömung gefunden, und sich das Flugzeug höher schraubte, höher und höher, so hoch, dass Lisa wiederum bewusst war, dass das Flugzeug nicht einmal einen Motor hatte und dass sie diesen tollen Luftströmungen gänzlich ausgeliefert waren. »Schön, gell?«, meinte Heiko, während Lisa überlegte, ob sie denn überhaupt Fallschirme dabeihatten.

    Zehn Minuten später war alles vorbei, und Lisa stieg etwas benommen aus dem engen Flugzeug, unendlich froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sie ließen den Abend in der offenen Flugzeughalle ausklingen, wo leichte Unterhaltungsmusik spielte und ganz hervorragende Steaks und Würstchen verkauft wurden.

Sonntagmittag, 17. August 2014
    Elsbeth Sauer kam von ihrer Freundin zurück, die in Wüstenau wohnte. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs. Das tat ihr gut, denn sie machte ansonsten keinen Sport. Sie war auch bedient mit dem riesigen Haus und dem Versorgen ihrer Mutter. Die Kinder waren aus dem Haus, ihr Mann hatte sich scheiden lassen, und so saß sie eben hier mit ihrer Mutter fest, in Asbach. Das machte ihr nicht wirklich etwas aus, sie mochte den kleinen Ort, an dem sie fast alleine lebten. Auch der See war schön, wunderschön, im Sommer geradezu traumhaft. Sie trat in die Pedale, schon tauchte das Gelände des Fischerheims auf. Ach ja. Der Mord. Seit sie den Fischer hier umgebracht hatten, schien etwas von der Idylle für immer verschwunden zu sein. Obwohl: Man brauchte ja eigentlich nur nicht daran zu denken. Was allerdings schwierig war, da ihre Mutter quasi von nichts anderem mehr redete. Sie war auch nicht davon abzubringen, dass es seither im Wald nicht mehr geheuer sei. An so einen Quatsch glaubte sie, Elsbeth, ja nicht. Sie beschloss, in Zukunft wirklich keinen Gedanken mehr an den Mord zu verschwenden. Es gab sowieso genug, worüber sie sich aufregen musste. Ihren Ex-Mann zum Beispiel. Die Heerscharen von Fischern, die den See seit dem Mord geradezu belagerten, als gäbe es hier noch was zu sehen. Oder der Müll, den die Leute hier abluden. Neulich hatte zum Beispiel einer an der Seitenwand des Fischerheims ein absolut schrottiges blaues Moped abgestellt. Sicherlich lief da noch Öl aus der Kiste. Gut, das kratzte sie jetzt nicht wirklich, aber so müllte eben die Gegend hier zu. Schön war was anderes, und sie fühlte sich auch nicht unbedingt berufen, den Dreck anderer Leute wegzuräumen. Sie fuhr um die Ecke und bog auf das kleine Seesträßlein ein. Da stand das Ding, unmöglich … vielmehr … war es nun auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Sie stutzte. Musste also doch jemand den Schrott wieder abgeholt haben. Oder … war etwa jemand damit davongefahren? Komisch war die Sache schon. Sie überlegte, wann genau sie das Moped da hatte stehen sehen. Und dann war sie sich sicher, dass es der Samstag gewesen war, Samstagabend. Und seither hatte sie nicht mehr wirklich darauf geachtet. Komisch war das. Und dann fielen ihr die Kommissare ein. Hatten die nicht gesagt, sie solle sich melden, wenn ihr noch was einfiele? Sie war zu Hause angekommen, stellte das Fahrrad ab und schloss die Tür auf. Drinnen fragte sie gleich ihre Mutter, ob die auch ein blaues Moped an der Wand des Fischerheims hatte stehen sehen.

    Heute war Lichterfest, und Heiko wusste, dass man nicht allzu spät losdurfte,
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