Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
Vom Netzwerk:
Figuren in etwa 100 Metern Entfernung, und die beiden stolperten mehrfach über tückische Löcher in der Wiese. Endlich kamen sie aber den Figuren näher, und die kleinen Flämmchen, die zwischen den Lichterbechern auf und ab schwebten, ließen sich Menschen zuordnen, die die Figuren am Brennen hielten. Noch einige Meter, dann war ein Pärchen auszumachen, das wegen der unerwarteten Besucher verwundert stehen blieb und den Kommissaren schließlich zurief, sie sollten einen Bogen schlagen, damit sie den Blick auf die Figuren nicht verdeckten. Fluchend kamen die Ermittler dieser Bitte nach. Eigentlich waren sie froh gewesen, endlich fast da zu sein. Das Pärchen verfolgte sie mit etwas konsternierten Blicken, offenbar hatten die beiden nicht mit Besuch gerechnet.
    »Sie wissen schon, dass man auf den Wegen bleiben soll? Deswegen gibt es die Absperrung«, tadelte die Frau, eine zierliche Dunkelhaarige.
    »Polizei«, informierte Heiko. »Wüst und Luft. Wir haben gehört, Sie möchten uns etwas sagen?«
    »Woher habt ihr das?«
    »Och, das hört man so.«
    Das Pärchen wechselte einen Blick, und Lisa registrierte, wie der bärtige Mann fast unmerklich nickte.
    »Ja, stimmt. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, und wir wollen niemanden zu unrecht belasten.«
    »Heutzutage wird man nicht mehr verhaftet, weil jemand einen belastet«, beruhigte Heiko. »Da muss schon alles zusammenpassen, und glaubt mir, das dauert.«
    Das schien die Frau zu beruhigen, und sie strich sich den fransigen Pony aus der Stirn, bevor sie scharf die Luft einsog und dann erklärte: »Wir haben uns neulich mal so unterhalten, wer denn alles ein Motiv gehabt haben könnte, den alten Siegler umzubringen.«
    »Und?«
    »Und da haben wir uns gefragt, ob ihr das mit dem Holderberg wisst.«
    »Dass er mit dem Siegler Krach hatte, weil der das Lichterfest abschaffen wollte?«
    Nun lachte der Mann auf. »Ihr wisst es also nicht.«
    »Was wissen wir nicht?«
    Die Frau hatte ein erloschenes Teelicht entdeckt und entzündete es wieder, bevor sie fortfuhr: »Der Holderberg hatte früher eine Versicherungsagentur. Die einzige im Ort. Und jetzt ratet, was passiert ist.«
    »Der Siegler hat ihm Konkurrenz gemacht?«, vermutete Lisa.
    »Ganz genau«, bestätigte der Mann. »Und dann ging alles ganz schnell. Er musste den Laden dichtmachen, Hartz IV beantragen, seine Frau hatte eine Affäre mit dem Heinz Hintermann …«
    »Bitte mit wem?« Lisa konnte es kaum fassen.
    »Na, mit dem Hintermanns Heinz. Und das hat ihn dann vollends reingehauen. Seither hockt er meistens zu Hause, ist unglücklich bis zum Gehtnichtmehr und spinnt irgendwie. Und er fährt ein altes, klappriges blaues Moped statt seines Audi von früher. Man kann schon sagen, dass der Siegler der Auslöser für all das war.«
    »Er fährt was?«
    »Wie bitte?«
    »Was er fährt.«
    »Ein Moped. Ist doch blau, oder?«, vergewisserte sich die Frau und blickte ihren Mann fragend an, welcher wiederum bestätigend nickte.
    »Haben Sie eine Ahnung, wo wir Herrn Holderberg finden? Ich nehme mal nicht an, dass er jetzt zu Hause ist?«
    »Nicht genau. Aber er hat auch eine von den Leuchtfiguren gemacht«, meinte die Frau. »Weißt du, welche?«, fragte sie ihren Mann. Der ließ seinen Blick über die Szenerie schweifen und schüttelte endlich den Kopf. Auch Lisa und Heiko suchten die Landschaft ab, und schließlich entdeckten sie die Pilzlandschaft, die sie schon einmal gesehen hatten, und zwar bei Lothar Holderberg im Garten.

    Die Pilzlandschaft sah gut aus, sie war auch deshalb besonders, weil sie, anders als viele andere Figuren, nicht zweidimensional wirkte, sondern tatsächlich räumlich. Holderberg hatte dies erreicht, indem er die Pilze nicht nur unterschiedlich groß gemacht, sondern sie auch übereinander gestaffelt angeordnet hatte. »Ein Künstler«, befand Lisa, und es schwang kein Spott in ihrer Feststellung mit, sondern eher eine seltsame Mischung aus Bedauern und Bewunderung. »Es wäre gut, wenn er uns nicht gleich sehen würde«, gab Heiko zu bedenken. Also zogen sich die beiden in Richtung Waldrand zurück. Je weiter sie sich dem Wald näherten, desto dunkler wurde es. Es wurde so finster, dass die Nacht beinah zum Greifen war, und Lisa wünschte sich die Bengalischen Lichter von vorhin her. Endlich hatten sie den Waldrand erreicht und kamen auf dem Boden nur noch mit den Füßen tastend voran. Sie sprachen kein Wort, denn sie wollten unbedingt vermeiden, dass Holderberg oder jemand der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher