Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finsteres Gold

Finsteres Gold

Titel: Finsteres Gold
Autoren: Carrie Jones
Vom Netzwerk:
Fell. Ich kneife die Augen ein bisschen zusammen, und mein Herz bleibt stehen. Der Junge im Bett kommt mir bekannt vor. Seine Augenbrauen sind ein bisschen zu groß für sein perfektes Gesicht. Seine Wangen sind eingefallen, als hätte er abgenommen, aber sein Mund bewegt sich. Sein Mund bewegt sich!
    »Er lebt«, schluchze ich, und jedes einzelne Organ in meinem Körper scheint in einem verrückten Freudentanz gegen die anderen zu stoßen. Das Loch, das die Angst erzeugt hat, füllt sich mit Hoffnung. »Issie. Schau nur! Er lebt.«
    Auch sie weint. Devyn lässt meine Hand los und holt herzzerreißend tief Luft.
    Nicks Mund bewegt sich immer noch.
    »Was sagt er?«, frage ich und beuge mich weiter nach vorn. Das Bild ist nicht ganz scharf, sondern ein bisschen verschwommen und nicht gleichmäßig in den Farben, aber das ist mir egal, denn es ist Nick, mein Nick, und er lebt. Ich starre auf seine Lippen. Diese Lippen habe ich geküsst, in diesen Lippen habe ich mich millionenmal verloren. Sie bewegen sich und formen ein Wort: Zara.
    »Ich komme, Baby. Ich komme und hole dich. Ehrenwort.« Mit diesen Worten gehe ich auf ihn zu.
    Aber er hört mich nicht. Er stöhnt vor Schmerz, und das Bild wackelt. Ich greife nach ihm, werde jedoch zurückgestoßen, abgedrängt von Cassidys Magie, und dann ist alles weg. Von einer Sekunde zur nächsten kippt das Bild weg, und die Lichter gehen wieder an. Der Computer erwacht brummend zum Leben, und unsere Handys piepsen. In diesem Augenblick fällt Cassidy nach vorn, aber ich fange sie auf, bevor sie auf den Boden knallt. Ich nehme sie auf den Arm, stehe auf und trage sie zum Bett. Dort lege ich sie so vorsichtig wie möglich ab.
    »Mensch, bist du stark«, staunt Issie.
    »Ich sag’s ja! Das sind die Vorzüge des Elfendaseins. Ich kann auch sehr gut riechen, und ich kann unglaublich hoch springen.« Ich schiebe Cassidy ein Kissen unter den Kopf und streiche ihre Haare glatt. Sie sieht aus, als habe sie zehn Pfund abgenommen. Nick sah auch so aus. Ich drehe mich um und wische die Tränen weg, die mir immer noch das Gesicht herunterlaufen. »Leute, er lebt. Nick lebt. Wisst ihr, was das bedeutet?«
    Devyn hat auch feuchte Augen. Er möchte antworten, aber er ist noch so gerührt, dass ihm ausnahmsweise mal die Worte fehlen. Issie gibt mir Zeichen, weiterzureden und es auszusprechen. Wahrscheinlich weiß sie, dass ich es unbedingt aussprechen möchte. Ich möchte jedem einzelnen miserablen Klischee im Universum entsprechen und es von allen Berggipfeln herabschreien.
    »Das heißt, dass ich nicht umsonst ein Elf geworden bin. Das heißt, dass ich Nick finden und ihn nach Hause bringen werde«, sage ich.
    Devyn und Issie nehmen sich an der Hand und flechten ihre Finger ineinander. Ich bemerke es, und Cassidy bemerkt es wohl auch, denn sie murmelt: »Wie süß.«
    »Du hast etwas vergessen«, sagt Issie zu mir.
    Ich weiß nicht, was sie meint. Meine Finger beugen sich, sie sehnen sich nach Nicks Fingern, und ich sage: »Was?«
    Devyn beendet den Satz für sie: »Dass wir dir helfen werden.«
    »Wir alle«, betont Cassidy.
    »Wir alle.« Ich wiederhole ihre Worte und erlaube mir zum ersten Mal seit Tagen ein Lächeln. Dann berühre ich das Fußkettchen, das Nick mir geschenkt hat. Es ist immer noch da. Die Kette ist nicht gerissen, so wie das Band unserer Freundschaft nicht gerissen ist. »Cool.«
    Issie schaut auf die Uhr. »Der Ball. Wir sind total spät dran.«
    »Stimmt«, keucht Cassidy.
    Devyn verdreht die Augen.
    »Ich geh dann mal«, sage ich, aber Issie packt mich am Arm. Irrationaler, heftiger Zorn durchflutet mich. Ich könnte mich einfach von ihr losreißen. Ich könnte sie würgen. Ich könnte sie töten. Ich schaudere. All das kann ich tun, ich mit diesem neuen Ich. Ich kann problemlos töten. Aber ich werde es nicht tun. Ich atme aus, und der Zorn verfliegt.
    »Du kommst mit uns«, beharrt Issie.
    »Ich glaube nicht.« Ich schaue Devyn angsterfüllt an, aber er hebt nur die Hände in die Luft. »Idiot, ich brauche Hilfe.«
    »Nick würde wollen, dass du gehst«, sagt Cassidy und steht auf. »Du brauchst ein Kleid. Hast du ein Kleid? Oder gibt’s bei dir nur T-Shirts von alten Rockbands?«
    »Das ist nicht nett«, sagt Issie und wischt sich über die Augen, »aber wahr. Außerdem haben wir nicht so viel Zeit, dass Zara heimfahren und ein Kleid holen könnte. Betty würde eine Riesenszene machen. Darauf bist du jetzt nicht scharf, oder?« Bevor ich antworten kann, sagt sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher