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Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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viel Zeit allein verbracht. Immer war sie von Freunden und Familie umgeben gewesen, mit Telefonieren, Hobbys, Schule, allem Möglichen beschäftigt gewesen. In diesen superseltenen Momenten, in denen sie wirklich allein sein wollte, um nachzudenken, ihr Tagebuch voll zu kritzeln oder Musik zu hören, war sie immer ins Stadtzentrum geradelt auf einen kleinen Hügel im Park. Jedes Mal fuhr sie den gleichen Weg zum gleichen abgeschiedenen Fleck. Nichts Besonderes eigentlich. Nur ein Stückchen Rasen unter einer uralten Ulme, aber von dort aus hatte man einen umwerfenden Blick auf den Hafen. Normalerweise war es sehr still da und die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemandem begegnete, den sie kannte, war gleich null. Cam betrachtete diesen Ort nicht unbedingt als eine Zufluchtsstätte, sie fühlte sich dort einfach zu Hause und geborgen. Niemand aus ihrer Familie, keine ihrer Freundinnen - noch nicht einmal Beth - wussten davon.
    In der Abenddämmerung jenes Tages, an dem sie Marleigh gerettet hatten, nahm sie Alex mit dorthin. Die beiden Mädchen saßen, die Arme um ihre Knie geschlungen, unter den weiten, schützenden Zweigen der Ulme, einander so merkwürdig ähnlich und dennoch auch verschieden, und blickten mit ihren verblüffenden, schwarz geränderten grauen Augen auf den Hafen hinunter. Eine lange Zeit verging, in der sie beide schwiegen.
    »Ziemlich cool, dass dein Dad Tonyas Fall übernimmt« , begann Alex schließlich. Als Cam nicht reagierte, fuhr Alex fort: »Wahrscheinlich hätten ihre Eltern auch einfach irgendeinen dynamischen Superanwalt anrufen können, der sie vertritt und der total gut in den Medien kommt. Dave wird sich vor allem darum kümmern, dass Tonya die Hilfe bekommt, die sie braucht. Er ist echt ein netter Kerl.«
    »Ein netter Kerl«, wiederholte Cam in Gedanken versunken. »Wenn er doch nur nett genug gewesen wäre, mir die Wahrheit zu sagen, bevor ich aus Versehen darüber stolperte.«
    »Da haben wir es wieder: Die Gemeinheit der heimlichen Adoption«, bemerkte Alex.
    »Ich weiß ja wohl, dass du viel durchgemacht hast«, sagte Cam und versuchte, den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren. »Und dass meine Erfahrungen nicht damit vergleichbar sind. Ich hätte mir nur nicht träumen lassen, dass sie mich so anlügen könnten.« Alex zuckte mit den Schultern und rupfte einen Grashalm aus. »Und du hast sie natürlich noch nie belogen.«
    »Nein«, sagte Cam trotzig.
    »Ach so, dann hast du ihnen wahrscheinlich auch erzählt, dass du Dinge weißt, bevor sie passieren und dass du Visionen hast und ... Schrauben zum Schmelzen bringen kannst!«
    »Na schön, ich verstehe, worauf du hinauswillst«, unterbrach Cam. »Und du kannst es dir schenken, meine Gedanken zu lesen. Ich werde es ihnen auch nie erzählen. Hast du deiner Mom gegenüber jemals erwähnt, dass du hören kannst, was andere denken, und dass du Gegenstände verrücken kannst, indem du dich darauf konzentrierst?«
    Als sie an Sara, ihre Mutter dachte, wurde Alex schlagartig milder gestimmt. »Nein«, flüsterte sie. »Aber irgendwie dachte ich immer, dass sie es ohnehin weiß. Hör mal«, fügte sie hinzu. »Wahrscheinlich sollten wir beide eine Zeit lang nichts davon erzählen. Niemandem gegenüber. Oder? Ich weiß auch nicht... «
    »Ich weiß auch nicht...«, wiederholte Cam die Worte langsam. »Das trifft momentan so ziemlich auf mein ganzes Leben zu.«
    »Auf meins auch«, erinnerte Alex sie. »Alex? Was hat dieser Typ wohl gemeint, als er sagte ...«
    »... dass sie lebt? Und dass nur er uns zu ihr bringen kann?«, vollendete Alex die Frage und legte sich mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken. Das stoppelige Gras, noch warm von der Hitze des Tages, prickelte auf ihrer Haut, als sie an den Kerl mit den dicken Stiefeln dachte. Er hatte so einiges gesagt -ihnen befohlen, die Amulette zu tragen, was wirklich zu seltsam war, als ob sich der Typ für Schmuck interessierte. Außerdem kannte er offenbar die blonde Polizistin. Doch es waren seine Sätze über diese Frau, von der er behauptete, dass sie ihre Mutter sei, der ihnen beiden im Kopf herumspukte. Und Alex weigerte sich unerbittlich, darüber nachzudenken. »Keine Ahnung«, antwortete sie auf Cams Frage. »Ich habe keine Ahnung, was er meinte, was das alles zu bedeuten hat. Und diese Polizistin? Sie hatte ... «
    »Unsere Augen«, ergänzte Cam. »Ich weiß.«
    »Und woher kannte sie meinen Namen?«
    »Sie hat dich Artemis genannt. So heißt du doch gar nicht« , erinnerte Cam sie.
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