Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
gebeten?»
    «Nie.»
    «Was wäre, wenn ich meine Sünde wiederholte?»
    «Enthülle deine Gedanken. Enthülle mir deine sündigen Gedanken.»
    «Das kann ich nicht.»
    «Würdest du mir alles sagen, wenn ich die Gründe für deine Weigerung erraten könnte?»
    «Das könnten Sie nie.»
    «Vielleicht habe ich es schon getan.»
    «Dann wissen Sie, wer ich bin?»
    «O ja, meine Tochter. Ich glaube, ich habe dich schon vor langer Zeit kennengelernt.»

Kapitel eins

    Immerwährender Urlaub ist eine gute Definition von Hölle

    (George Bernard Shaw)

    Morse nutzte seinen Urlaubsanspruch nie aus, fand er. Und das erklärte er Chief Superintendent Strange auch an jenem Morgen Anfang Juni.
    «Sie müssen aber auch die Zeit berücksichtigen, die Sie regelmäßig in Pubs verbringen, Morse!»
    «Hin und wieder vielleicht ein paar Stunden, das gebe ich zu. Es wäre gar nicht so schwer auszurechnen, wieviel...»
    « ist das Wort, das Sie suchen.»
    «Ich suche nie so scheußliche Wörter wie
    «Ein nützliches Wort, Morse. Es bedeutet... nun, es bedeutet, wieviel...»
    «Sage ich doch gerade, oder?»
    «Ich weiß nicht, warum ich mit Ihnen streite!»
    Das wußte Morse auch nicht.
    Schon seit Jahren war der Urlaub für Chief Inspector Morse vom Thames Valley CID eine Zeit ständigen und praktisch unerträglichen Stresses. Und wie ein Urlaub für Männer mit Ehefrauen und womöglich auch noch Kindern erst aussehen mußte, vermochte Morse sich trotz all seiner ausschweifenden Einbildungskraft kaum vorzustellen. Aber in diesem Jahr, dem Jahr des Herrn neunzehnhundertzweiundneunzig, sollte, so schwor er sich, alles anders aussehen: Er würde Urlaub außerhalb Oxfords machen. Doch nicht im Ausland. Es zog ihn nicht nach Xanadu oder Isfahan; tatsächlich ging er nur sehr selten überhaupt ins Ausland — wenn es auch aufgezeichnet werden sollte, daß mehrere seiner Kollegen diese insulare Engstirnigkeit in erster Linie auf Morses zaghafte Angst vor Flugzeugen zurückführten. Doch zufällig war es gerade einer dieser Kollegen gewesen, der als erster die Dinge in Gang gebracht hatte.
    «Lime, Kumpel! Lime ist großartig!»
    Lime?
    Erst einige Monate später, als er die Anzeige im Observer las, registrierte Morse das Wort endlich:

    DAS BAY HOTEL
    Lyme Regis
    Sicher eine der landschaftlich schönsten Lagen im Westen Englands. Wir sind das einzige Hotel an der Strandpromenade, und wir bieten einen Rundblick von Portland Bill im Osten bis zum historischen Cobb Harbour im Westen. Das Hotel garantiert äußerste Bequemlichkeit und eine erlesene Küche in einer freundlich entspannten Atmosphäre. Bequeme Spaziergänge führen zu Einkaufsmöglichkeiten und zum Hafen, und der Zugang zum direkt vor dem Hotel gelegenen Strand ist frei von Fahrzeugverkehr.
    Für ausführliche Information schreiben Sie bitte an das Bay Hotel, Lyme Regis, Dorset, oder rufen Sie einfach an unter Nummer (02974) 20 54.

    «Es wird heikel», begann Strange wieder, «wenn ein älterer Mann länger als vierzehn Tage Urlaub macht. Das ist Ihnen natürlich klar.»
    «Ich nehme nicht mehr, als mir zusteht.»
    «An welchen Ort denken Sie?»
    «Lyme Regis.»
    «Ah. Herrliches Devon.»
    «Dorset, Sir.»
    «Ist doch nebenan, oder?»
    « Persuasion — dort spielen einige der Szenen aus Persuasion.»
    « Ah.» Stranges Gesicht war angemessen ausdruckslos.
    «Und The French Lieutenant’s Woman.»
    «Ah. Ich weiß schon. Das hab ich mit meiner Frau im Kino gesehen... Oder war es in der Glotze?»
    «Nun, das hätten wir», sagte Morse lahm.
    Für eine Weile herrschte Schweigen. Dann schüttelte Strange den Kopf.
    «Sie könnten es nicht aushalten, so lange fort zu sein. Sandburgen bauen? Über vierzehn Tage?»
    «Ist auch Coleridge-Land, Sir. Ich werde wahrscheinlich ein bißchen rumfahren — mir Ottery St. Mary mal ansehen... einige der alten Plätze.»
    Ein leises Glucksen ertönte irgendwo tief in Stranges Bauch. «Er ist seit Ewigkeiten tot, Mann — eher Max’ Bier als Ihres.»
    Morse lächelte matt. «Aber Sie hätten nichts dagegen, wenn ich mir seinen Geburtspiatz ansehe?»
    «Ist nicht mehr da. Das Pfarrhaus ist nicht mehr da. Vor Jahren planiert.»
    «Wirklich?»
    Strange spitzte den Mund und nickte. «Sie halten mich für einen ungebildeten Burschen, nicht wahr, Morse? Aber ich sag Ihnen etwas. Als ich zur Schule ging, gab es all diesen Unsinn mit dem Kind im Mittelpunkt nicht. Damals mußten wir Sachen auswendig lernen — Sachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher