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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe
Autoren: Colin Dexter
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wie Ihren verdammten Alten Seemann.»
    «Als ich zur Schule ging auch, Sir.» Es ärgerte Morse, daß Strange, nur ein Jahr älter als er selbst, ihn immer behandelte, als komme er aus einer viel jüngeren Generation.
    Aber Strange war nicht zu stoppen.
    «Das vergißt man nicht, Morse. Es bleibt an einem hängen.» Er warf einen kurzen, aber konzentrierten Blick in die Rumpelkammer seiner Erinnerungen, fand, was er suchte, und zitierte mit großer Ernsthaftigkeit eine Strophe, die er vor langer Zeit gelernt hatte:

    «In einem Himmel kupferfarben
    Stand blutrot und ungewohnt
    Die Sonne mittags über dem Mast
    Nicht verdammt größer als der Mond»

    «Sehr gut, Sir», sagte Morse, nicht sicher, ob das Zitat absichtlich so scheußlich entstellt war oder aus Versehen, jedenfalls sah er, daß der Chief Superintendent ihn listig beobachtete.
    «Nein. Sie werden es nicht durchhalten. Innerhalb einer Woche sind Sie wieder in Oxford. Sie werden sehen!»
    «Und wenn schon. Ich habe hier eine Menge zu tun.»
    «Ach ja?»
    «Als erstes wäre da das Abflußrohr außerhalb meiner Wohnung. Es leckt.»
    Strange zog die Augenbrauen hoch. «Und Sie wollen mir erzählen, daß Sie das in Ordnung bringen werden?»
    «Ich werde es flicken», sagte Morse mehrdeutig. «Ich hab schon ein Stück Rohr besorgt, aber der äh... Durchmesser des Querschnitts ist... etwas zu eng.»
    «Es ist zu scheiß klein, meinen Sie? Ist es das, was Sie sagen wollen?»
    Morse nickte etwas verlegen.
    Es stand eins zu eins.

Kapitel zwei

    1804 ging es Mrs. Austen so gut, daß sie mit ihrem Ehemann und Jane Ferien in Lyme Regis machen konnte. Hier klingt Janes Bericht wieder fröhlich. Sie erzählt von der Unterkunft und den Dienstboten,von neuen Bekanntschaften und Spaziergängen auf dem Cobb, vom erfrischenden Baden im Meer und von einem Ball im Gesellschaftssaal von Lyme Regis (David Cecil,
    A Portrait of Jane Austen)

    «Wenn ich das sagen darf, Sir, eigentlich haben Sie wirklich Glück.»
    Der Besitzer des einzigen Hotels an der Strandpromenade schob Morse das Gästebuch zu, und Morse füllte rasch die Spalten Datum — Name — Anschrift — Kfz-Kennzeichen — Nationalität aus. Während er das tat, registrierte er, eher aus langer Gewohnheit denn aus Interesse oder Neugier, einige der Angaben über die sechs oder sieben Personen, ledig oder verheiratet, die sich kurz vor ihm eingetragen hatten.
    Unter Morses Mitschülern in der sechsten Klasse hatte es einen Jungen gegeben, der ein buchstäblich fotografisches Gedächtnis besaß — ein Gedächtnis, das Morse sehr bewundert hatte. Nicht daß sein eigenes Gedächtnis etwa schlecht gewesen wäre; kurzfristig funktionierte es sogar hervorragend. Und das ist der Grund, warum ein einziges kleines Detail in den Eintragungen vor seiner eigenen sehr bald an die Gestade seines Bewußtseins zurückdriften würde...
    «Um die Wahrheit zu sagen, Sir, Sie haben großes Glück. Die gute Dame, die absagen mußte — eine von unseren Stammgästen — , hatte das Zimmer bestellt, sobald sie erfuhr, daß bei uns die Saison begonnen hatte, und sie legte besonderen Wert auf ein Zimmer — sie legte immer Wert darauf — mit Blick auf die Bucht, mit eigenem Bad und WC natürlich.»
    Morse nickte anerkennend zu dem hervorragenden Geschmack der unbekannten Dame. «Für wie lange hatte sie gebucht?»
    «Drei Nächte: Freitag, Sonnabend, Sonntag.»
    Morse nickte wieder. «Ich werde auch drei Nächte bleiben — wenn das möglich ist», entschied er und fragte sich, was die arme alte Lady davon abhielt, wieder einmal ihren privaten Blick auf die Wellen und die exklusive Benutzung eines WCs zu genießen. Die Blase, höchstwahrscheinlich.
    «Genießen Sie Ihren Aufenthalt bei uns!» Der Hotelbesitzer händigte Morse drei Schlüssel an einem Ring aus: einen für Zimmer 27, einen (wie er erfuhr) für die zwei Minuten von der Strandpromenade entfernte Garage des Hotels und einen für den Haupteingang, für den Fall, daß Morse erst nach Mitternacht zurückkehren sollte. «Wenn Sie Ihr Gepäck herausnehmen würden, sorge ich dafür, daß es auf Ihr Zimmer gebracht wird, während Sie das Auto in die Garage fahren. Die Polizei gestattet unseren Gästen natürlich, vorübergehend hier zu parken, aber...»
    Morse sah hinunter auf den Straßenplan, der ihm überreicht wurde, und wandte sich zum Gehen. «Vielen Dank. Und hoffen wir, daß das alte Mädchen es etwas später schafft, hierherzukommen», fügte er hinzu, weil er es für
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