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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe
Autoren: Colin Dexter
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SIMON JENKINS, REDAKTEUR DER TIMES.

Für
    Brian Bedwell

Wetter und Regen haben ihn aufgelöst,
    Und jetzt würde man nicht mehr sehn,
    Daß einst ein Weg führte durch den Wald,
    Bevor sie die Bäume pflanzten.
    Er ist verborgen unter Dickicht und Heide,
    Wo die zarten Anemonen tanzten.
    Nur der Förster sieht,
    Daß, wo das Gurren der Tauben hallt
    Und der Dachs durchs Unterholz zieht,
    Einst ein Weg führte durch den Wald.

    The Way Through the Woods von Rudyard Kipling



Prolog

    Wenn eure Sünde gleich bluthrot ist,
    soll sie doch schneeweiß werden

    ( Jesaia , Kap. 1, Vers 18)

    Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen
    (Wittgenstein)

    «Ich muß mit Ihnen sprechen.»
    «Sprich,meine Tochter.»
    «Ich bin nicht oft in Ihre Kirche gekommen.»
    «Es ist nicht meine Kirche — es ist Gottes Kirche. Wir sind alle Kinder Gottes.»
    «Ich bin gekommen, um eine schwere Sünde zu beichten.»
    «Es ist richtig, daß alle Sünden gebeichtet werden sollten.»
    «Können alle Sünden vergeben werden?»
    «Wenn wir, sündige Sterbliche, die wir sind, in unseren Herzen feststellen, daß wir einander vergeben können — denk nur an unseren unendlich barmherzigen Vater, der jede unserer Schwächen versteht, der uns alle viel besser kennt, als wir selbst uns kennen.»
    «Ich glaube nicht an Gott.»
    «Und du betrachtest das als besonders wichtig?»
    «Ich verstehe Sie nicht.»
    «Wäre es nicht von weitaus größerer Wichtigkeit, wenn Gott nicht an dich glaubte?»
    «Sie sprechen wie ein Jesuit.»
    «Vergib mir.»
    «Es sind nicht Sie, ich bin es, die Vergebung sucht.»
    «Erinnerst du dich an den Pilger, als er endlich Gott seine Sünden beichtete? Wie das Gewicht seiner schweren Bürde auf der Stelle von seinen Schultern gehoben wurde — wie der Schmerz, der sich lindert, wenn eine Eiterbeule aufgestochen wird?»
    «Sie hören sich an, als hätten Sie das alles schon öfter gesagt.»
    «Eben dieselben Worte habe ich schon zu anderen gesagt, ja.»
    «Zu anderen?»
    «Ich kann nicht über sie sprechen. Was auch immer Männer und Frauen mir beichten mögen, sie beichten — durch mich — Gott.»
    «Sie werden dann eigentlich gar nicht gebraucht — ist es das, was Sie meinen?»
    «Ich bin ein Diener Gottes. Manchmal ist es mir vergönnt, jenen zu helfen, die ihre Sünden aufrichtig bereuen.»
    «Was ist mit jenen, die das nicht tun?»
    «Ich bete darum, daß Gott ihre Herzen bewegt,»
    «Wird Gott ihnen vergeben — was sie auch getan haben? Glauben Sie das, Hochwürden?»
    «Ja, das tue ich.»
    «Die Szenen aus den Konzentrationslagern...»
    «An welche Szenen denkst du, meine Tochter?»
    «Die , Hochwürden.»
    «Noch einmal, vergib mir. Meine Ohren lassen nach — doch nicht mein Herz! Mein eigener Vater wurde 1943 in einem japanischen Lager zu Tode gefoltert. Ich war damals dreizehn Jahre alt. Ich weiß ganz genau, wie schwer es ist zu vergeben. Ich habe das nur sehr wenigen erzählt.»
    «Haben Sie den Folterern Ihres Vaters vergeben?»
    «Gott hat ihnen vergeben, wenn sie jemals seine Vergebung gesucht haben.»
    «Vielleicht ist es leichter, Greueltaten zu vergeben, die in Kriegszeiten begangen wurden.»
    «Es gibt keine Waagschale für besser oder schlechter, ob in Friedenszeiten oder in Kriegszeiten. Die Gesetze Gottes sind die, die Er schuf; sie sind so unerschütterlich und standhaft wie die Fixsterne am Himmel — unwandelbar bis in alle Ewigkeit. Sollte ein Mann sich kopfüber vom Tempel stürzen, so bricht er selbst das Gesetz Gottes, aber er wird nie das allumfassende Gesetz brechen, das Gott einst erlassen hat.»
    «Sie sind ein Jesuit.»
    «Ich bin auch ein Mensch. Und alle Menschen haben gesündigt und dem Ruhm Gottes nicht entsprochen.»
    «Hochwürden...»
    «Sprich weiter, meine Tochter.»
    «Vielleicht werden Sie Bericht erstatten über das, was ich beichte...»
    «So etwas könnte ein Priester niemals tun.»
    «Aber wenn ich wollte, daß Sie Bericht erstatten?»
    «Mein heiliges Amt ist es, im Namen unseres Herrn und Erlösers, Jesus Christus, all jene von Sünden loszusprechen, die aufrichtige Reue zeigen. Es ist nicht mein Amt, die Wege der weltlichen Mächte zu verfolgen.»
    «Sie haben meine Frage nicht beantwortet.»
    «Das ist mir klar.»
    «Was wäre, wenn ich wollte, daß Sie der Polizei Bericht erstatten über mich?»
    «Ich wäre mir meiner Pflicht nicht sicher. Ich würde den Rat meines Bischofs suchen.»
    «Man hat Sie noch nie zuvor um so etwas
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