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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released
Autoren: Oliver Uschmann
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vor Begeisterung. »Sabine, ich gehe sofort in den Keller. Das ganze überflüssige Zeug muss raus. Das Altpapier. Die nicht abgeholten Prospekte. Die Metallregale. Ich mach da unten wieder Holz rein, und wenn ich noch einen Kredit aufnehme.«
    »Moment mal, Klaus, heißt das, du willst doch weitermachen?«
    Mein Vater reißt weit die Augen auf. »Ich will neu anfangen, Sabine! Ganz von vorne! Keine Flugblätter mehr für den Schützenverein. Keine billigen Werbezettel. Überhaupt keine Massenproduktion mehr, sondern Kunst! Schöne, edle Drucke. Einzelne Buchbindungen. Man könnte ganz persönliche Siegel anbieten, so Prägeklischees für hochwertige, handangefertigte Fotoalben oder Mappen. Wappen für Mappen. Das klingt doch gut. Wir sind Drucker, Sabine! Ja, es gibt jetzt das Internet und die Computer und gerade deshalb müssen wir stolz sein und sagen: Bei uns kriegt ihr das Besondere! Das, was die Flugblattdrucker aus dem Internet eben nicht schaffen. Sicher könnt ihr euch irgendeinen Schlunz bei Express-Fotobuch bestellen, aber wenn ihr zu Weihnachten oder zum Jubiläum wirklich was Besonderes wollt, basteln wir euch ein Album mit Echtledereinband, Familiensiegel und Letterpress-Papier mit Büttenrändern. Es geht auch anders.«
    Meine Mutter sieht meinen Vater an, als wäre er soeben auf der Treppe neugeboren worden. Als wäre er mit mir einkaufen gefahren und hätte ein ganzes Pfund Hoffnung mitgebracht. Ihr fällt nicht auf, was Papa gerade genau gesagt hat. Mir schon. »Äh, Leute«, sage ich. »Ist euch klar, dass Papa gerade den besten Werbespruch überhaupt erfunden hat?« Meine Eltern sehen mich an wie Schafe. »Ja, hallo? Wie heißen wir denn? Druckerei Anders?« Sie kapieren es immer noch nicht. Ich sage es so, als würde ich es fett gedruckt in die Mitte eines Blattes schreiben:
    »Es geht auch ANDERS!«
    Jetzt haben sie es endlich verstanden. Papa sagt: »Fantastisch!« Mama umarmt mich und zieht ihn dazu.
    »Wir schaffen das«, sagt sie.
    »Ja!«, strahlt mein Papa.
    »Und ich ruf jetzt Opa an«, sage ich und laufe los, um das Telefon zu holen.

DAS REH?
    Da sind sie, meine Freunde, und starren auf die Einladungen, die ich ihnen für sie und ihre Eltern gegeben habe. Sie starren, als wüssten sie nicht, was sie damit anfangen sollen.
    »Hä?«, sagt Lukas.
    »Es geht auch ANDERS?« Flo schaut mich verständnislos an.
    »Was heißt das?«, fragt Lukas.
    »Das heißt, dass mein Papa die Druckerei neu eröffnet. Er macht jetzt alles anders.«
    »Wie, anders?«
    »Ja, edler und so. So wie die Einladung da. So wie in der Manufaktur, in der wir waren.«
    »Cool«, meint Lukas.
    »Ja, und mutig«, sagt Flo. »Er stellt ja dann viel weniger her und das muss sich dann richtig lohnen.«
    »Das ist wie in Barcelona«, meint Lukas. »Wie bei Messi und Xavi und Piqué und Iniesta. Die machen gar nicht viel auf dem Spielfeld. Die bewegen sich erst, wenn der Ball kommt. Aber dann machen sie alles so sorgfältig, dass sofort ein Tor fällt.«
    »Quatsch«, winkt Flo ab, »das ist, wie wenn die Firmen ein Computerspiel nicht bloß in einer Plastikhülle herausbringen, sondern zum Beispiel in einer Holzkiste mit Schatzkarten. Oder wenn sie von vornherein nur ein paar Exemplare machen. Es gibt da ein uraltes Atari-Spiel, das existiert nur sechs Mal auf der ganzen Welt. Das hat neulich einer in Amerika für 35.000 Dollar gekauft!«
    »Musst du eigentlich immer alles mit Computerspielen vergleichen?«, fragt Lukas.
    »Musst du eigentlich immer alles mit Fußballspielen vergleichen?«, kontert Flo.
    So sind sie, die beiden. Ich bin froh, dass ich nicht wegziehen muss. Nicht ins Satellitenschüsselhaus, nicht in eine andere Stadt. Wenn alles gut geht.
    Wir sind spät dran heute Morgen. Frau Kobol hat ihre Sommergrippe überstanden. Wir haben sie in den ersten beiden Stunden. Genau wie neulich, als wir ihr von dem angefahrenen Reh erzählten.
    »Der Bus ist in drei Minuten da«, sage ich.
    »Das schaffen wir nicht«, stöhnt Flo.
    »Dann wieder über den Acker!« Lukas läuft schon los. Seine Schuhe graben sich in die Erde. Seine Schienbeine durchpflügen das Getreide. »Na kommt schon!«, ruft er. »Das können wir doch jetzt, oder nicht? Querfeldein!«
    Wir lachen und laufen ihm nach. Er ist uns immer zehn Meter voraus. Seine Schritte sind lang und federnd. Er schwebt fast über das Feld. Als er mitten in der Bewegung schreit und abbremst, wirkt es, als sei er vor eine unsichtbare Wand gerannt. Wir holen ihn ein. Er
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