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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released
Autoren: Oliver Uschmann
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ein Satzzeichen geprägt ist. Einhundertsechzehn Fächer hat so ein Kasten. In ihm ist alles, was man als Zeichen in einer Schriftart braucht.
    »Was ist das Besondere an Ihrer Druckmanufaktur?«, fragt Jan-Eric hinter seiner Kamera. Herr Schmale räuspert sich, bevor er antwortet. Mein Vater fährt mit der Fingerkuppe über einen der Setzkästen und ist wie weggetreten.
    »Das Besondere an unserer Druckerei ist, dass unsere Lettern aus Birnenholz geschnitzt werden.«
    »Heißt das, Sie stellen individuelle Typen her?«, mischt sich mein Vater ein. Herr Schmale weiß nicht so recht, ob er ihn oder Jan-Eric bei der Antwort angucken soll. »Ja, genau«, antwortet er. »Das ist unsere Spezialität. Das ist sozusagen das Geheimnis unseres Erfolgs.«
    »Das müssen Sie unseren Zuschauern genauer erklären«, sagt Jan-Eric.
    »In einem modernen Computer zum Beispiel«, sagt Herr Schmale, »da haben Sie doch vorgegebene Schriften. Times New Roman beispielsweise. Oder Arial. In diesen modernen Mobiltelefonen kommt auch Helvetica zum Einsatz. So.«
    Ich mag es, wie Herr Schmale »so« sagt. Er setzt eine richtige Pause dadurch. Als wolle er sich hinhocken und erst mal in Ruhe einen Buchstaben schnitzen.
    »Wir«, fährt er fort, »wir erfinden für unsere Kunden ganz neue Schriftarten. Zum Beispiel eine nur allein für ihre Familie. Oder ihre Firma. Die gibt es dann hier im Original bei uns als Birnenbuchstaben. Wir übertragen sie aber sogar auch auf ihren Computer, als Bonus sozusagen. Das wird aber selten verlangt. Meistens lassen sich die Leute ihre Sachen in ihrer Schrift dann auch hier drucken. Auf ganz edles Papier. Familienalben zum Beispiel. Urkunden. Oder Stammbäume.«
    »Aber das muss doch wahnsinnig teuer sein, bis sich das rechnet«, sagt mein Vater. »Eine eigene Type entwickeln.«
    Herr Schmale nickt. »Ist es auch. Aber Sie verdienen mehr, wenn Sie einen einzigen neuen Porsche verkaufen, als wenn Sie sich mit fünfzehn gebrauchten Golfs rumschlagen. Verstehen Sie?« Herr Schmale lacht, sodass sein Spitzbart wackelt. »Wir sind einzigartig und teuer. Bei uns druckt niemand ein Flugblatt oder einen Werbezettel. Diesen Geschäftszweig bedienen wir ganz absichtlich nicht. Hier wird Kunst gemacht. Kunsthandwerk.«
    Mein Vater wirkt, als würde das, was er hört, wie zäher Sirup in ihn einsickern. Zäh, aber nahrhaft. Und lecker.
    »Außerdem bieten wir jedem, der möchte, das Erlebnis an, selbst etwas zu drucken. Familien, Schulklassen. Sie lernen bei uns in aller Ruhe, wie das geht.«
    Ich kann nicht anders, ich muss mich einmischen, weil mir Herr Broich einfällt. »Ich kenne jemanden, der kann ohne Feuerzeug Feuer machen. Oder aus wilden Waldgewächsen Suppe. Er sagt, nichts mache einen glücklicher, als etwas altmodisch und langsam zu tun, aber dafür mit den eigenen Händen.«
    Herr Schmale zeigt mit seinen beiden Händen auf mich und strahlt hinter seiner runden Brille. »Das ist der Grund, warum es unserem Druckhaus gut geht. Trotz Computern und Internet. Wir hüten unser Handwerk wie einen Schatz. Und für Schätze zahlen die Leute gerne viel Geld. Weil es Freude macht. Sehen Sie, besser als dieser junge Mann hätte ich es nicht ausdrücken können.« Herr Schmale schaut zu meinem Vater. »Ist das Ihrer?«
    »Ja«, sagt mein Vater, lehnt sich zurück und schiebt stolz seine Daumen in die Gürtelschlaufen, »das ist meiner!«
     
    Mama trägt gerade einen Stapel Wäsche die Treppe hinauf, als wir an ihr vorbei nach unten huschen. Besser gesagt: Papa huscht, während ich versuche, ihm zu folgen. Er rennt Mama fast um. Der Wäscheberg wackelt.
    »Was ist denn mit euch los?«, fragt sie. Papa bleibt stehen und sieht sie an. Bevor er auch nur den Mund aufmachen kann, sagt sie: »Was sehe ich denn da?« Sie geht die letzten Stufen nach oben, stellt den übervollen Wäschekorb im Flur ab, dreht sich wieder zu Papa um und sagt: »Da ist es ja wieder. Das Glänzen in deinen Augen.«
    »Dieser Filmmensch, ich hab ihn fertiggemacht, Sabine.«
    »Und deswegen strahlst du so?«
    »Er hat uns mitgenommen zu einem Dreh. Wir waren in einer Druckmanufaktur. Sabine, so was hast du noch nicht gesehen. Das hätte Vater sehen müssen. Wir hätten ihn aus Dagebüll holen müssen, auf der Stelle. Die schnitzen Lettern aus Birnenholz für einzeln angefertigte Schriften.« Meine Mutter sieht mich an und zeigt auf Papa wie eine Frau in der Werbung, die erstaunt auf ihre strahlend weißen Laken schaut. Papa sprudelt förmlich über
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