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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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der freie Fall, dann ein Knacken, und der Gurt spannte sich. Würde er zurückschwingen und an der Wand des Wolkenkratzers zerschellen?
    Das Seil des Rettungsgurtes schaukelte und kreiste im Wind, ein paarmal sauste es knapp einen Meter an den Fingerspitzen des Leibwächters vorbei, aber nah genug kam es nie. Die Zeit verstrich. Das Sondereinsatzkommando der Polizei könnte versuchen den Raum zu stürmen.
    Das Sprechfunkgerät knatterte. »Der Pilot kann nicht näher an das Gebäude heran, es gibt zu viele Windwirbel«, rief der Leibwächter.
    Goldstein faßte einen Entschluß. »Sag ihm, er soll auf das Dach fliegen«, befahl er und tippte die Nummer ein, die er sich auf die Hand geschrieben hatte. Brauer meldete sich gleich, und Goldstein kam sofort zur Sache. »Ich lasse die Geiseln frei, wenn ich das Gebäude mit meinen drei Männern verlassen darf. Wir nehmen vorsichtshalber einige Gefangene mit aufs Dach. Sie sind frei, sobald wir im Hubschrauber sitzen.«
    Brauer dachte angestrengt nach. Wenn die Geiseln im Main-Tower blieben, konnte Agron mit seinen Männern den Hubschrauber besteigen. Ein Blutbad würde so vermieden, und der Helikopter mußte irgendwann landen. Kampfhubschrauber der Armee würden ihn begleiten. »Gut. Aber sollten Sie versuchen, auch nur eine Geisel mitzunehmen, eröffnen wir das Feuer«, antwortete Brauer und beendete das Gespräch.
    Goldstein traf seine Wahl. »Hol die Geiseln. Die zwei Frauen, die lange dürre und die kleine mit den Rastalocken«, befahl er dem Leibwächter.
    Das ungewisse Warten im Beratungsraum nahm ein Ende,als sich die Tür zu Oberst Agrons Zimmer öffnete und der Chef der Leibwächter hereinkam und Befehle brüllte. Einer seiner Männer griff nach Lauras Arm, und Ratamo sprang auf. Eine Bewegung mit der Maschinenpistole zwang ihn auf seinen Stuhl zurück, aber die Flut finnischer Flüche konnte sie nicht stoppen.
    Laura wehrte sich und biß, aber der stählerne Würgegriff des Leibwächters wurde nur noch fester, der Schmerz war so stark, daß sie ihren Widerstand einstellen mußte. Das Entsetzen begrub alle anderen Empfindungen unter sich, so etwas hatte sie nicht einmal als Kind erlebt. Dieses Gefühl nahm ihr den Atem und wirkte endgültig – es war die Todesangst.
    Die Leibwächter verschlossen die Türen des Beratungsraumes und führten die beiden Geiseln in Oberst Agrons Arbeitszimmer. Laura Rossi sträubte sich immer noch, und Sabine Halberstam sah blaß und ernst aus. Den Frauen wurden die Hände auf dem Rücken gefesselt und ein Würgering aus Plastik um den Hals gelegt.
    Der Chef der Leibwächter übernahm das Kommando und gab Befehle: Goldstein sollte die ruhigere Frau auf die Aussichtsplattform schleppen und ein Leibwächter die kleinere Frau, die mit den Füßen um sich trat. Der Chef der Leibwächter und sein dritter Kollege würden sie absichern. »Wir nehmen die Treppe, die Aufzüge können angehalten werden«, befahl der Chef, in dem Augenblick rauschte wieder das Sprechfunkgerät.
    Er hörte einen Augenblick genau zu und gab die Informationen dann an die anderen weiter. »Der Pilot sagt, wir sollen von der fünfundfünfzigsten Etage zusteigen. Eine Landung würde nicht gelingen, die Aussichtsplattform ist zu schmal und der Wind zu böig. Wir benutzen die Gurte.«
    Zwei Leibwächter liefen vor den anderen den Flur entlang, bis der eine mit einem Satz auf die Treppe sprang und prüfte, ob der Weg hinauf frei war, während der andere dieTreppe nach unten absicherte. Goldstein und der dritte Leibwächter führten die Frauen. Laura wehrte sich nicht mehr, irgend etwas schnürte ihr den Hals ein, und sie spürte das kühle Metall eines Pistolenlaufes im Genick. Nachdem sich ihre Wut entladen hatte, blieb nur noch das kalte Entsetzen. Diesmal würde sie nicht entkommen.
    Als sie fünf Stockwerke hinaufgestiegen waren, öffnete der vorangehende Leibwächter eine Metalltür, die in den heftigen Sturm hinaus führte. Die Rotorblätter des Hubschraubers dröhnten, und die Luftwirbel ließen ihre Kleidung flattern.
    Auf den Leibwächtern und auf Goldsteins Stirn tanzten die roten Punkte von Laservisieren. Das war nicht so vereinbart, fluchte Goldstein. Die Sondereinsatzkommandos der Deutschen könnten sie jederzeit ausschalten, ein Zugriff wurde nur durch die Geiseln verhindert. Goldstein legte den Arm um Sabines Hals, zog die Frau enger an sich heran und spähte mit zusammengekniffenen Augen in den hellen Himmel hinauf. Halb schleppte er Sabine an den Rand
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