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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette
Autoren: Taavi Soininvaara
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Anweisungen.
    Oberst Agron wurde an seinen Handfesseln in die Toilette gezogen und auf die Knie gezwungen. Zu seiner Überraschung bemerkte der Oberst, daß er Angst hatte, obwohl er immer der Überzeugung gewesen war, er würde den Tod als etwas Befreiendes empfangen. Der rotweiße Bus brannte vor seinen Augen, als der Leibwächter ihm in der Toilette zweimal ins Genick schoß.
    55
    Dan Goldstein versuchte erfolglos, seine lodernde Enttäuschung mit Mineralwasser zu löschen. Die Aktien waren für ihn endgültig unerreichbar geworden, jetzt mußte er sich auf seine Rettung konzentrieren. Der Streß erschwerte das Nachdenken, er schaltete den Fernseher ein, suchte den Musikkanal und schloß die Augen. Jetzt oder nie mußte sein Verstand messerscharf funktionieren. Vergeblich unternahmer in seiner Phantasie einen kurzen Spaziergang am Sandstrand von Bat Yam in Tel Aviv, auch das konnte ihn nicht beruhigen.
    Goldstein war sich nicht einmal mehr sicher, daß nach Agrons Tod niemand von seinem Besuch im Main-Tower wußte. Vielleicht hatte Brauer ihre Telefongespräche aufgezeichnet. Wenn sein Name bei den Ermittlungen auftauchte, könnte man ihn durch eine Stimmanalyse mit den Ereignissen der letzten Stunde in Verbindung bringen. Oder möglicherweise war man imstande, seine Identität mit dem Gerät zur Gesichtserkennung festzustellen, denn die Spezialeinheiten würden ihn sicher filmen, wenn er den Wolkenkratzer verließ.
    Allmählich nahm in seinem Kopf ein Plan Gestalt an. Er mußte bis Berlin kommen. Das Gelände der Botschaft war Territorium der USA, dort könnten ihn die deutschen Behörden nicht mit Gewalt herausholen, und Botschafter Sam Charlton würde ihn nicht so leicht herausgeben. Charlton war wie Goldstein Republikaner, in den USA ernannte der Präsident nur Mitglieder der eigenen Partei zu Botschaftern. Von der Botschaft aus könnte Goldstein seine Beziehungen spielen lassen.
    Er würde mit dem Hubschrauber nach Berlin fliegen und versuchen Charlton zu bewegen, den Deutschen zu erzählen, er, Goldstein, habe im Main-Tower ganz normale geschäftliche Angelegenheiten erledigt. Auch das Außenministerium der USA könnte Druck auf die deutschen Behörden ausüben, Goldstein würde alle Hebel in Bewegung setzen. Ihm war klar, daß er sich verzweifelt an Illusionen klammerte, aber etwas anderes fiel ihm nicht ein. Und so leicht würde man ihn nicht vernichten.
    Goldstein hörte das Dröhnen des Hubschrauberrotors und griff nach der Schulter des Leibwächters. »Kommt man durch dieses Fenster in den Hubschrauber?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht mit einem Gurt. Ich frage den Piloten.«
    »Frage ihn auch gleich, ob der Treibstoff bis Berlin reicht«, befahl Goldstein. Für einen Augenblick hörte man nur das Rauschen des Sprechfunkgerätes und kurze Sätze, dann wandte sich der Leibwächter Goldstein zu. »Der Pilot fragt an, ob er die Aufforderungen zur Landung befolgen soll. Die Polizei droht damit, die Maschine zur Landung zu zwingen.«
    »Unter keinen Umständen. Sag dem Piloten, daß ich sein Honorar verhundertfache, wenn er uns hier herausholt. Und frag, ob man durch diese Fenster in den Hubschrauber kommt?«
    Diesmal dauerte das Rauschen des Sprechfunkgeräts länger. Dann gab der Leibwächter die Informationen an Goldstein weiter »Es ist schwierig, aber möglich. In der Maschine befinden sich eine Winde und Rettungsgurte.«
    »Und der Treibstoff?« fragte Goldstein nach.
    »Der Tank ist voll. Der Pilot garantiert, daß der Hubschrauber mit vier Passagieren bis Berlin fliegt.«
    »Sorg dafür, daß wir hier herauskommen«, zischte Goldstein.
    Der Leibwächter zog die Gardinen beiseite und feuerte eine Salve auf das Fenster. Die zwei jeweils einen Zentimeter starken Scheiben aus Sicherheitsglas zerbarsten zu einem Mosaik, das der Mann eintrat. Die Splitter schwebten davon und verschwanden im Sonnenlicht, eine Windböe fuhr herein und ließ das Papier durch den Raum flattern, und ganz in der Nähe knatterte der Hubschrauber mit ohrenbetäubendem Lärm.
    Goldstein schützte sein Gesicht mit dem Arm und näherte sich vorsichtig dem Fenster, wo der Wind zum heulenden Sturm wurde. Er warf einen Blick hinunter in zweihundert Meter Tiefe und taumelte zurück. In der israelischen Armee hatte er dem Tod oft ins Auge gesehen, aber jetzt schien esso, als hätte nicht er diese Erfahrungen gemacht, sondern jemand anders. Doch er mußte es wagen. Er stellte sich vor, wie er springen würde: Erst ein Schritt ins Leere und
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