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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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Zorns fliegt nach Norden«, sagte der Boß des russischen Ölkonzerns mit einem unsicheren Lächeln und starrte auf den Busen der Gräfin, die auf dem Gemälde an der gegenüberliegenden Wand posierte.
    »Heute ist ein Finne an der Reihe …«, van der Waal holte einen Zettel aus der Tasche. »… Dr. Elvas.« Er sprach den Namen langsam aus und betonte die letzte Silbe.
    Die Beratung der Ölmagnaten wurde unterbrochen, als Pieter, van der Waals Sicherheitschef, laut in sein Sprechfunkgerät fluchte. Dann beugte er sich vor und berichtete seinem Arbeitgeber leise, was geschehen war. Van der Waals Gesicht wurde rot, als er von dem Trio hörte, das in die EDV-Zentrale eingedrungen war und dort gerade die Beratung des Konsortiums auf einem der Monitore verfolgte.
    »Wieviel haben sie gehört?« Van der Waals weiche Stimme stieg ins Falsett. Die Mienen seiner einflußreichen Gäste wurden immer angespannter.
    Pieter schüttelte den Kopf. »Das läßt sich unmöglich sagen.«
    Van der Waal wies mit einer Bewegung zur anderen Seite des Beratungsraums, Pieter folgte seinem Arbeitgeber, der langsam in seinem watschelnden Gang bis ans andere Ende des Raums lief, wo man sie nicht mehr hören konnte. »Niemand darf etwas von dem Konsortium erfahren«, sagte er, und Pieter wußte, was er zu tun hatte.
     
    Die Alarmsirenen heulten auf, der Lärm war ohrenbetäubend, auch die restlichen Leuchtstoffröhren gingen flackernd an, und die Glasschiebetüren rauschten zu. Panik befiel die Ökoterroristen. Alle drei wußten, wenn sie erwischtwurden, dann bedeutete das, eine lange Zeit im Knast abzusitzen. Durch ihren Anschlag würden Dutch Oil gewaltige wirtschaftliche Schäden entstehen. Die Überwachungskameras surrten leise und richteten sich auf sie.
    »Masken auf!« befahl Lasse. »Jorge, öffne die Schiebetür.« Zwanzig Sekunden später rannten sie schon den unterirdischen Flur entlang; jetzt brauchten sie die Überwachungskameras und die Bewegungsmelder nicht mehr zu beachten.
    Durch den Versorgungseingang stürzten die drei hinaus auf den asphaltierten Hinterhof, exakt im selben Augenblick verwandelten sich die Wände des Hauptgebäudes von Dutch Oil in ein Lichtermeer. Sowohl hinter ihnen im Flur als auch vor ihnen auf dem Hof waren Rufe in niederländischer Sprache zu hören. Auf den wenigen Metern bis zu ihrem VW-Transporter wurde das Trio vom strömenden Regen völlig durchnäßt. Lasse gab Gas und lenkte den Wagen auf die Carel-van-Bylandt-Laan, noch bevor die zuletzt eingestiegene Ulrike die Tür schließen konnte.
    Die Dunkelheit, der heftige Regen und der schwarze Asphalt verschlangen fast das ganze Licht der Straßenbeleuchtung. Ulrike mußte sich zur Windschutzscheibe vorbeugen und die Augen zusammenkneifen, um zu sehen, was auf den Straßenschildern stand. Lasse wartete nicht auf ihre Anweisungen, er glaubte zu wissen, in welcher Richtung das Naturschutzgebiet von Meijendel und die Küste lagen. Der Transporter raste nach Nordwesten.
    »Sie folgen uns«, stieß Ulrike hervor. Sie schaute in den Rückspiegel und fluchte auf deutsch. Dann erkannte sie das erste große Hinweisschild, auf dem »Wassenaar« zu lesen war, die Straße hieß »Benoordenhoutseweg«. Also stimmte die Richtung. Lasse schaltete in einen höheren Gang und trat das Gaspedal bis zum Boden durch.
    Ulrikes Angst wuchs, je näher die Verfolger kamen. DerPkw der Sicherheitsleute beschleunigte und schnitt die Kurven, auf einer Strecke von wenigen Kilometern erreichten die Holländer fast die Stoßstange des Transporters. Der Regen bombardierte die Frontscheibe mit solcher Wucht, daß die Scheibenwischer nichts ausrichten konnten, obwohl sie auf Hochtouren liefen.
    Das Licht der Straßenlaternen wurde noch schummriger, als der Transporter das Zentrum von Den Haag hinter sich ließ. Die Straße hatte nun viele Kurven, in denen sich der Wagen bedrohlich neigte. Dann hörte man Schüsse, und die Heckscheibe zerbarst. Der Transporter schwankte hin und her, geriet auf der nassen Fahrbahn ins Rutschen und schlidderte wie ein Bleigewicht auf dem Eis über den feuchten, teflonglatten Asphalt auf den Randstreifen zu.
    Der Aufprall brachte alles zum Stehen, nur nicht die Scheibenwischer. Lasse spürte einen brennenden Schmerz in der Brust unter dem Sicherheitsgurt, er hob den Kopf und sah Blut auf der zu einem Mosaik zersprungenen Frontscheibe. Das Genick schmerzte, als er sich nach seinen Gefährten umschaute: Jorge war kaum noch bei Bewußtsein, er ächzte und
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