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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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der SUPO auf der Seite des Guten gegen das Böse kämpfen würde, aber jetzt schien es so, als wäre das Böse in ihn eingedrungen. Und dieses Gespenst besiegte niemand, man konnte mit ihm höchstens Waffenstillstand schließen.
    Ratamo sah, wie die Grüne Minna auf dem Fußweg hielt, und rannte die Treppe hinunter. »Ich habe am Telefon gesagt, daß eine Streife kommen soll. Die Studenten über mir feiern schon drei Tage hintereinander. Und drei Nächte.«
    Die Blicke der Kollegen von der Schutzpolizei in ihren Overalls wanderten langsam von Ratamos abgelatschten Tigerpantoffeln zu seinen schmutzigen Trainingshosen, lasen auf dem schwarzen T-Shirt den Text »Wer hat Hauptmann Iwan Below erschossen?« und verharrten schließlich auf seinem Gesicht, das von dem wirren kurzgeschnittenen Haar und dunklen Bartstoppeln umrahmt wurde.
    Ratamo wurde klar, daß er keinen sehr ansprechenden Eindruck machte, aber zum Glück fand sich ein Mittel gegen die Vertrauenskrise. Er zeigte seinen Dienstausweis: »Ratamo von der SUPO.« Die drei betraten das Treppenhaus, und das Duo von der Schutzpolizei hörte verblüfft, wie die Motorsäge aufheulte.
    Die Polizistin drückte ein dutzendmal auf die Klingel der Studentenbude. Vergeblich. Das Geräusch der Motorsäge wurde lauter, ebbte ab und nahm wieder zu, es klang so,als würde etwas zerschnitten. Ratamo schlug vor, den Hausmeister, der im Erdgeschoß wohnte, telefonisch herbeizurufen.
    Man hörte den Mann im Treppenhaus schimpfen, lange bevor er im Blickfeld der Polizisten auftauchte. Seinem Fluchen zufolge hätte er die studentischen Störenfriede am liebsten dorthin geschickt, wo keine zusätzliche Heizung gebraucht wird. Außerdem machte er diverse Andeutungen, wonach die angehenden Chemiker auch schwarz Schnaps destillieren würden. Dann steckte er seinen Universalschlüssel ins Schloß, drehte ihn um, und einer der Polizisten riß die Tür auf.
    Bei dem Anblick, der sich in der Küche bot, stockte den Polizisten der Atem, und sie tasteten nach ihren Waffen. Ein halbnackter Mann mit einem weißen Gesichtsschutz drückte das Sägeblatt in eine Leiche, die an einem Fleischerhaken hing, Fleischfetzen und Knochensplitter flogen bis an die Wände. Das Aufheulen der Säge bohrte sich in den Schädel der Eindringlinge.
    »Polizei! Schalten Sie die Säge aus!« brüllte die Polizistin, und ihr Partner stand schußbereit da.
    Im selben Augenblick erschien aus einer Ecke der Küche ein Mädchen mit einer Videokamera in der Hand und einer Studentenmütze auf dem Hinterkopf und lächelte verdutzt. »Haben wir zuviel Lärm gemacht?«
    »Was zum Teufel … geschieht hier?« stieß Ratamo hervor, während der »Waldarbeiter« mit der Maske die Kleidung von dem Kadaver löste, der am Haken hing. Der Ringelschwanz und die Klauen verrieten, daß es sich bei dem Opfer um ein Schwein handelte, dessen Rumpf gut abgehangen aussah.
    »Das wird das Erste-Mai-Video des Jahrhunderts. Ein absoluter Klassiker«, stammelte der dürftig bekleidete Mann mit der Säge, der nur noch lallen konnte.
    »Ist die Benutzung einer Motorsäge in der Wohnung verboten?« fragte die Kamerafrau grinsend.
    »Verdammte Idioten …«, schimpfte der Hausmeister.
    Es dauerte einen Augenblick, bis die Polizistin erfaßt hatte, was hier im Gange war. »Es hat Beschwerden gegeben. Wegen des Krachs.« Dann fiel ihr ein, was der Hausmeister berichtet hatte. »Hier soll Schnaps gebrannt werden.«
    »Schön wär’s«, entgegnete der betrunkene Motorsägenmann, und sein Lachen hallte durch die ganze Wohnung.
    »Sie haben sicher nichts dagegen, wenn wir uns ein wenig umsehen«, sagte der Polizist und wartete nicht auf eine Erlaubnis.
    Staunend gingen die Polizisten durch die Wohnung, die ein einziges Flaschenmeer war, und verhedderten sich mit jedem Schritt mehr in den Papierschlangen, die überall herumhingen. 1 Hier und da lagen junge Leute, die im Suff eingeschlafen waren. Ein als Superman verkleideter junger Mann trug auf dem Kopf einen Schweißhelm, an dessen Visier eine Schnapsflasche befestigt war. Wenn er das Visier hochschob, neigte sich die Flasche, und er konnte sich die Kehle befeuchten. Der Superman ächzte mannhaft, obwohl seine säuerliche Miene verriet, daß ihm der Frühstücksbrei kurz vor den Mandeln stand.
    Ratamo mußte unwillkürlich lächeln. In seiner Studienzeit hätte er sich bei einer derartigen Fete so gut aufgehoben gefühlt wie die Zähne im Mund.
    Von einem Gefäß, in dem Schnaps gebrannt wurde, war
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