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Finnisches Quartett

Finnisches Quartett

Titel: Finnisches Quartett
Autoren: Taavi Soininvaara
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Wege offenzustehen, bis nach ganz oben. Aber die Alltagsroutine eines Oberleutnants tötete die erhabenen Grundsätze und ehrgeizigen Erwartungen innerhalb weniger Jahre.
    Über Jahrhunderte, bis hin zu den letzten Jahrzehnten, war der Offiziersberuf von allen möglichen der ehrenhafteste gewesen, aber so war es nicht mehr. Das Saufen im Offizierskasino, der ständige Papierkrieg, das Bemühen, zu Auslandseinsätzen abkommandiert zu werden, und das Warten auf die Beförderung reichten nicht aus, um Lasse zu motivieren. Eine ernsthafte Herausforderung gab es heutzutage nur, wenn man sich als Söldner anwerben ließ, aber Lasse wollte nicht um des Geldes oder des Tötens willen Krieg führen, sondern um irgend etwas Wertvolles zu verteidigen. Auch das Warten auf den Beitritt zur NATO könnte wegen der Unentschlossenheit der Politiker noch Jahre dauern. Und für wen würde er als NATO-Soldat kämpfen?
    Irgendwo weit weg knackte ein Ast, und Lasse lauschte angespannt. Zum Teufel noch mal, irgend etwas mußte ihm einfallen. Wenn man sie faßte, dann würde das die Vernichtung von Final Action und wahrscheinlich auch eine Gefängnisstrafe und die Trennung von Ulrike bedeuten. Als ahnte sie seine Gedanken, drückte sich Ulrike noch enger an ihn. Die Frau zitterte vor Kälte, und Lasse spürte seine Gefühle genauso intensiv wie an jedem einzelnen Tag, seit sie sich vor sechs Jahren in Wien getroffen und verliebt hatten. Es war unangenehm, zugeben zu müssen, daß er Ulrike immer noch um die Reinheit ihrer Gedankenwelt, den echten Idealismus und die Leidenschaft der Überzeugung beneidete. Anscheinend erfüllte Ulrike auch ihn mit pulsierendem Leben. Es war ihr Verdienst, daß er nun etwas genauso Ehrenvolles tat wie die Männer der Nordman-Familie vor ihm. Ulrike hatte ihn überredet, sich am Aktionismus von Greenpeace, an Global Witness, den Friends of Earth und den Sabotage-Akten der Earth Liberation Front zu beteiligen. Schließlich war Final Action entstanden. Deren Ökoterrorismus war die Kriegsführung der Gegenwart,sie schlugen im Rücken des Feindes zu wie einst die Männer der Fernspähtrupps.
    Lasse schrak zusammen, ein Hund bellte kurz, und zwar ganz in der Nähe. Dann wühlte etwas wütend in den Blättern und dem Abfall, der auf seinen Beinen lag. Er schnellte hoch, so daß die Blätter durch die Luft flogen, und sah vor sich die weiße Zahnreihe und die stechenden dunklen Augen eines dumpf knurrenden Schäferhundes. Der große Hund griff im selben Augenblick an, als Lasse sich aufrichtete und hinkniete; er packte den Köter an der Kehle, legte die andere Hand um sein Genick und drückte den Kopf des Tiers mit einem Ruck nach hinten. Es knackte, und das Genick war gebrochen. Weit entfernt am Horizont rannten zwei Sicherheitsleute in dunklen Anzügen auf sie zu, konnten sie aber noch nicht sehen.
    Hastig grub er Jorge und Ulrike aus. Die Wunde des bleichen und zitternden Portugiesen blutete wieder, die Mullbinde war dunkelrot gefärbt. Die Blicke der Männer trafen sich, und beide begriffen, daß Jorge nicht zu Fuß fliehen konnte.
    »Los, lauft. Ich krieche etwas weiter weg vom Versteck. Vielleicht folgen die Sicherheitsleute euch.« Die Stimme des Portugiesen wirkte brüchig, als er seinen Gefährten diesen Befehl gab. Die angstgeweiteten Augen sagten etwas ganz anderes als seine Worte.
    Ulrike umarmte Jorge und versuchte ihm Mut zu machen, aber ihre Stimme versagte. Lasse mußte sie am Ärmel wegziehen. Sie rannten tiefer in den Wald.
    Jorge konnte nur ein paar Schritte machen, dann explodierte der Schmerz in seinem Körper, und er fiel auf die Knie. Er spürte die Hitze in seinem Kopf und bemühte sich mit aller Gewalt, bei Bewußtsein zu bleiben. Das Herz klopfte in der Wunde am Arm. Er kroch weiter, bis ein wütend bellender Hund ihm den Weg abschnitt. Er rührte sichnicht und starrte in die blutgierige Fratze des Riesenköters. Die bewaffneten Sicherheitsleute waren immer noch weit entfernt. Wo blieben die Polizisten? Was würden die Sicherheitsleute tun?
    Die Wahrheit war wie ein Schlag ins Gesicht: Man würde ihn erwischen, und er brauchte Hilfe. Möglicherweise verhörte ihn die Polizei tagelang, vielleicht würde man nicht zulassen, daß er sich einen Anwalt besorgte oder wenigstens mit jemandem sprechen konnte. Terrorverdächtige wurden heutzutage auch in den zivilisierten Ländern nach Gutdünken behandelt.
    Er beschloß, seiner Freundin Gloria eine SMS zu schicken, sie war zusammen mit einem
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