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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut
Autoren: Taavi Soininvaara
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Überwachungszentrale mitgeteilt, |356| daß er dort telefonieren wollte. Der Diensthabende hatte sofort das Telefonunternehmen angerufen, das verpflichtet war, die Verbindung vom Hotel »Torni« in die Überwachungszentrale umzuleiten, da die SUPO die gerichtliche Genehmigung zum Abhören von Ratamos Gesprächen eingeholt hatte. Als der Diensthabende vom Telefonunternehmen erfuhr, daß Ratamo die Zeitschrift »Suomen Kuvalehti« anrief, meldete er sich als Zentrale der Zeitschrift und ließ Ratamo so lange warten, bis Kuurma-Jalava am Telefon war. Ketonen hatte angeordnet, daß sich sowohl ein Ermittler als auch Kuurma bereithalten sollten, da er nicht wußte, ob Ratamo einen Mann oder eine Frau anrufen würde. Kuurma hatte bei sich zu Hause auf den Anruf gewartet, weil in den Räumen der SUPO ihre Identität herausgekommen wäre. Die Umleitung des Gesprächs war innerhalb der knappen Minute geschehen, in der Ratamo darauf gewartet hatte, daß sich zuerst die Zentrale von »Suomen Kuvalehti« und dann Pirkko Jalava meldete.
    Die Verantwortung für Ratamo hatte man ganz und gar Riitta Kuurma übertragen, nicht einmal sein Telefon war abgehört worden. Ketonen hatte von ihr erfahren, daß Ratamo nichts Ungesetzliches getan hatte und auch nicht versuchte, die Viren zu verkaufen. Riitta Kuurma sollte dafür sorgen, daß Ratamo in ihrer Wohnung blieb, wo er in Sicherheit wäre, bis die Gefahr vorbei war. Ketonen gab zu, er hätte Parola und Leppä und den SVR überwachen lassen müssen. Und er hätte Ratamo mitsamt seiner Tochter bei der SUPO in Sicherheit bringen müssen, obwohl dadurch herausgekommen wäre, daß sie in der Virusangelegenheit ermittelten. Auch die Entführung des Mädchens hatte er nicht verhindern können. Ketonen war sichtlich wütend auf sich selbst.
    Jede Menge Fragen schossen Ratamo durch den Kopf. Er |357| war so durcheinander von all dem, was geschehen war und was er gehört hatte, daß er nur ein Wort herausbrachte: »Warum?«
    Das Telefon klingelte mit ohrenbetäubendem Lärm, und Ketonen antwortete rasch und energisch. Er schaute auf seine Uhr und versprach, in einer halben Stunde irgendwo zu sein. Dann erfuhr Ratamo in Kurzform alles Wesentliche von dem, was Siren und Vairiala getan hatten. Über die Rolle des SVR wußte auch Ketonen nicht viel.
    Ratamo hörte bis zum Ende der Zusammenfassung schweigend zu. Er war zu müde, um irgend etwas zu verstehen oder irgend jemandem Vorwürfe zu machen. Die Geschichten, die Ketonen erzählte, gehörten nicht in seine Welt. Er wußte nur, daß der Albtraum vorbei war und Nelli lebte.
    Seine Antworten kamen langsam und undeutlich, als Ketonen nach der Formel für das Gegenmittel und nach dem Mord an Kaisa fragte. Sein Blick irrte durch den Raum, es sah so aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
    Ketonen sah, daß der Mann am Ende war. »Du brauchst jetzt Schlaf und Ruhe. Es ist besser, wenn wir das in der nächsten Woche fortsetzen«, sagte er und kritzelte etwas auf einen Zettel. »Hier ist eine Nummer, wenn du mit jemandem reden willst, der dafür ausgebildet ist, in solchen Situationen zu helfer. Und sprich mit den dir nahestehenden Menschen über das, was geschehen ist, sobald du dazu in der Lage bist. Es erleichtert einen, wenn man solche Erfahrungen mit jemandem teilen kann.«
    Ratamo überlegte, ob er direkt zu Nelli fahren oder erst einmal ein paar Stunden schlafen sollte. Anscheinend war er frei und konnte gehen, er stand auf und verließ den Raum, ohne sich zu verabschieden. Ketonen telefonierte schon wieder.

|359| EPILOG
    Ratamo lenkte seinen Käfer und ahmte das Motorengeräusch nach. Das Lenkrad wurde von vier Händen gehalten, auch Nelli, die bei ihrem Vater auf dem Schoß saß, steuerte den Wagen. J. J. Cale sang von einem Hund namens Clyde, der Elektrobaßgitarre spielte.
    Die kurze gemeinsame Fahrt endete, als Ratamo sein Schmuckstück am Rande von Tamminiemi parkte. Die bunte Färbung der Laubbäume schimmerte im Licht der Oktobersonne. Nach dem warmen Sommer wirkte der Herbst noch frischer und kühler als sonst.
    »Vati, hier sind Enten«, rief Nelli auf der Holzbrücke zur Insel Seurasaari. Ratamo ging zu ihr hin, um sich die Enten anzuschauen, und nahm seine Tochter an der Hand. Die fast zahmen Enten schwammen ihnen in der Hoffnung auf ein paar Leckerbissen hinterher, als sie weitergingen.
    Ratamo, der abgenommen hatte und einen Bart trug, war stolz auf seine Tochter. Nelli hatte sich gut von den schockierenden Ereignissen
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