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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut
Autoren: Taavi Soininvaara
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Jahre 1989 hatte er als Gastprofessor an der Universität Cornell im Bundesstaat New York Gelegenheit gehabt, das Affenhaus der Kleinstadt Reston in der Nähe von Washington D. C. zu besuchen und an Ebola erkrankte Langschwanzmakaken zu beobachten.
    |36| Innerhalb von zwei Tagen hatte er viele Tiere gesehen, die sich in verschiedenen Stadien der Krankheit befanden. Die teuflische Art und Weise, in der Ebola seine Opfer vernichtete, hatte ihn schockiert. Das Virus bildete im Blut Gerinnsel, wodurch sich der Blutkreislauf verlangsamte; das Blut verdickte, sammelte sich an den Gefäßwänden und blieb kleben. Wegen der Gerinnsel entstanden an verschiedenen Stellen des Organismus Nekrosen und subkutane Hämatome. Kleine Blasen entwickelten sich auf der Haut, die schließlich Risse bekam und das Blut hinausfließen ließ. Mit fortschreitender Krankheit bildeten sich blaue Flecken auf der Haut, die zu einem weichen Brei wurde. Bei einer heftigen Berührung bestand die Gefahr, daß sie zerriß und sich in großen Fetzen löste. Aus jeder Körperöffnung floß Blut, das nicht mehr gerann, da das Virus den Gerinnungsfaktor zerstört hatte. Die Oberfläche der Zunge und die Wände von Rachen und Luftröhre schälten sich ab. Das Herz blutete. Aus den Augen trat Blut aus. Die Blutpfropfen erschwerten die Hirnfunktion. Wenn sich die Därme mit Blut füllten, lösten sich die Darmwände, und das Opfer schied sie mit einer gewaltigen Blutmenge aus. Im Endstadium der Krankheit bekam der Patient heftige Krampfanfälle, bevor das Blut nach dem Versagen des Schließmuskels aus dem After und anderen Körperhöhlen herausfloß.
    Den Menschen tötete Ebola genau so wie den Affen. Das Virus war in seiner ganzen Grausamkeit ein Meisterwerk der Natur – ein perfekter Killer.
    Manneraho schaltete das Radio ein. Aus irgendeinem Grund schweiften seine Gedanken immer ab, wenn es still war. Wie könnte er aus der Situation für sich Nutzen ziehen? Über die Entdeckung des Gegenmittels hätte er seinen Vorgesetzten informieren müssen. Das wollte er jedoch nicht tun, weil er befürchtete, |37| daß der einen Teil des Ruhmes für sich beanspruchte. Sollte er dem Operativen Stab der Streitkräfte die Entdeckung melden? Die EELA hatte strenge Vorschriften, die besagten, daß der Stab über alle Funde unterrichtet werden mußte, die sich für die biologische Kriegsführung eigneten. Manneraho verstand ganz ausgezeichnet, welche militärische Bedeutung Ebola-Helsinki und das Gegenmittel besaßen. Sie wären vortrefflich geeignet für irgendwelche Terrororganisationen, Unabhängigkeitsbewegungen oder kriegerische Diktaturen, die nicht über die Mittel oder das Knowhow verfügten, um sich Kernwaffen zu beschaffen.
    Allmählich nahm in seinem Kopf ein Plan Gestalt an. Er beschloß, den Operativen Stab anzurufen, aber nicht den Verbindungsmann, den man der EELA angegeben hatte, sondern Raimo Siren, den Chef des Operativen Stabes. Er würde die Entdeckung als seine eigene Errungenschaft darstellen und so dafür sorgen, daß sich der General seinen Namen einprägte. Und er würde deutlich zu verstehen geben, welche Bedrohung das Virus und das Gegenmittel für die nationale Sicherheit bedeuteten. Die EELA war als Aufbewahrungsort nicht sicher genug, irgendeine Terrororganisation könnte sie womöglich sogar stehlen. Die japanische Sekte »Höchste Wahrheit« hatte 1995 auf einem U-Bahnhof in Tokio ein tödliches Nervengas austreten lassen und auch versucht, in den Besitz des Ebola-Virus aus Zaire zu gelangen.
    Bei passender Gelegenheit würde er andeuten, daß er mit Blick auf die nächste Verleihung des Ehrentitels eines Akademiemitgliedes große Erwartungen hegte.
    Als würde er beten, atmete er einige Male tief durch, bevor er zum Hörer griff und die Nummer der Zentrale des Generalstabs eintippte.
    |38| Das Gespräch verlief so, wie es sich Manneraho erhofft hatte. Siren hielt die Entwicklung des Gegenmittels für eine gefährliche Veränderung der Lage und war der Ansicht, daß sie das Virus zu einer Wunschwaffe für Terroristen machte. Der Generalmajor bat den Professor, abends zu ihm in den Generalstab zu kommen. Er sollte alles Material mitbringen, das mit dem Gegenmittel zusammenhing, und durfte vor ihrem Treffen mit niemandem ein Wort darüber sprechen.
    Manneraho war so aufgeregt, daß er beschloß, das vereinbarte späte Dinner mit Eveliina abzusagen. Er fand die Telefonnummer seiner letzten Eroberung im Notizbuch, sah den verwirrend schönen
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