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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut
Autoren: Taavi Soininvaara
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seinem Stuhl und rückte mehrmals seine gelbschwarze Seidenkrawatte zurecht.
    »Du hast also ein Gegenmittel gegen Ebola-Helsinki gefunden?«
    »Ja.«
    »Herzlichen Glückwunsch. Aber warum mußtest du die Tests unbedingt allein vornehmen? Dabei darf man keine Ein-Mann-Show aufführen. Alles muß nach Protokoll unter kontrollierten Bedingungen ablaufen. Das weißt du doch«, tadelte ihn Manneraho und fuhr dann in schon versöhnlicherem Ton |33| fort. »Na ja. Andererseits hast du so gute Arbeit geleistet, daß ich diese Verstöße mal unter den Tisch fallen lasse.«
    Der Deckel der Kautabakdose schnappte auf. Der Geruch von Kuhmist breitete sich schnell in dem Zimmer aus. Ratamo schob sich den Priem in aller Ruhe unter die Lippe, obwohl er wußte, daß sich sein Chef darüber aufregte. Oder vielleicht gerade deswegen.
    Mannerahos mißmutige Miene verriet, was er dachte. Er schwieg aber, überlegte einen Augenblick und fragte dann, wohin Ratamo den Rest des Gegenmittels gestellt habe.
    Der erklärte ihm, es gebe kein Gegenmittel mehr, bei den Tests in der vergangenen Nacht habe er alles aufgebraucht.
    Der Professor bot seinem Kaffee schlürfenden Mitarbeiter Kekse an und stellte dann noch einige Zusatzfragen. Als er hörte, daß niemand außer Ratamo die Formel des Gegenmittels kannte, war er sichtlich erfreut. Er wies seinen Mitarbeiter an, unverzüglich das gesamte Material über das Gegenmittel zu holen.
    »Hier ist alles eingetragen. Auf dieser Diskette sind die Fortschritte bei meinen Versuchen innerhalb der letzten zwei Wochen und der aktuelle Stand dokumentiert«, berichtete Ratamo wahrheitsgemäß und reichte seinem Chef die Diskette. »Und hier ist die Formel des Gegenmittels«, fügte er hinzu und riß zwei Seiten aus seinem Heft heraus.
    Ratamo gab seine Originalnotizen nur ungern her, aber er wollte das Gespräch beenden und den Rest des Tages ganz entspannt verbringen, sollte sich doch Manneraho mit der Bürokratie herumschlagen. Die Formel für das Gegenmittel hatte er auf jeden Fall in seinem Gedächtnis.
    Manneraho befahl seinem Mitarbeiter, die ganze Sache vorläufig zu vergessen. Ratamo dürfe auf gar keinen Fall die Formel |34| des Gegenmittels erneut aufschreiben. Er solle seine sonstigen Arbeiten weiterführen, bis sein Chef ihm andere Anweisungen gab. Manneraho versprach, er werde ihm mitteilen, wenn er seine Hilfe benötige.
    Ratamo wunderte sich über den Eifer des Professors, war aber angesichts der neuen Instruktionen zufrieden, denn die Untersuchung von Ebola-Helsinki war seine einzige Aufgabe. Jetzt könnte er seine Urlaubsvorbereitungen während der Arbeitszeit treffen. Und Manneraho durfte in aller Ruhe den Ruhm für die Entdeckung des Gegenmittels ernten.
    Manneraho stand auf und schaute den jungen Wissenschaftler mit ernster Miene an. »Arto. Über diese Angelegenheit darfst du mit niemandem sprechen. Diesmal mußt du gehorchen. Die Sache ist sehr ernst. Wenn du das irgend jemandem weitererzählst, fliegst du, vielleicht hast du dann auch eine Anklage am Hals. Ist das klar?«
    Die einen arbeiten, und die anderen reden, dachte Ratamo, begnügte sich jedoch damit, seinem Chef beim Verlassen des Zimmers einen weiterhin guten Tag zu wünschen. Er war sicher, daß Manneraho nun überlegte, wie er mit der Arbeit der anderen für sich selbst Punkte sammeln könnte.

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    Manneraho gefiel Ratamos überhebliches Verhalten nicht, aber er versuchte seinen jungen Wissenschaftler zu verstehen. Warum war Ratamo so aggressiv? Mit seinen anderen Mitarbeitern kam Manneraho gut aus. Vielleicht lag die Ursache also nicht bei ihm. Anscheinend konnte Ratamo überhaupt keine Autoritäten vertragen. Er selbst war vor langer Zeit auch ein talentierter junger Idealist gewesen, doch mit zunehmendem Alter hatte er begriffen, daß man die Dinge nicht unnötig ernst nehmen durfte. Man mußte das Leben genießen. Alles ließ sich leicht erledigen, wenn man die Leute gut behandelte und ein ausgedehntes Netz von Beziehungen knüpfte. Hoffentlich, überlegte Manneraho, würde der junge Mann noch rechtzeitig erkennen, was in seinem eigenen Interesse lag, und sich nicht seine Zukunft verbauen, indem er rebellierte.
    Draußen krächzte eine Krähe, und Manneraho bemerkte, daß er an den Fingernägeln kaute. Er holte aus der Schublade eine Nagelfeile. Seit der Entdeckung von Ebola-Helsinki hatte er bei sich nach langer Zeit erstmals wieder Streßsymptome bemerkt.
    Das Ebola-Virus war für ihn ein alter Bekannter. Im
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