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Fieber an Bord

Fieber an Bord

Titel: Fieber an Bord
Autoren: Alexander Kent
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heraufbeschwören wollte, so war das seine Angelegenheit. Er beobachtete Herricks besorgtes Gesicht. Oder etwa nicht?
    In dem kleinen Kartenraum unter der Kampanje, neben der Steuermannskajüte, beugte Bolitho sich über den Tisch und sah zu, wie Lakey sich mit Zirkel und Lineal zu schaffen machte.
    »Wenn der Wind anhält, morgen Mittag.« Lakey blickte auf, sein hageres Gesicht hob sich nur als Silhouette vor einem offenen Bullauge ab.
    Dahinter schimmerte das Meer schmerzhaft in den Augen.
    Wieviel schlimmer mußte es auf einem großen, mit Deportierten überladenen Frachter sein. Wenn die Eurotas irgendwo auf Grund saß, konnte ihre Lage schnell wirklich kritisch werden. Der Wunsch zu entkommen, für die geringste Uberlebenschance frei zu sein, konnte Menschen zum Äußersten treiben.
    ›Wenn der Wind anhält.‹ Das muß sich jedem Seeoffizier mit der Zeit ins Herz eingraben, dachte Bolitho.
    Er sah Lakey nachdenklich an. »Dann bleibt es dabei. Hundertvierzig Meilen bis Tongatapu. Wenn wir nach der Kursänderung fünf Knoten schaffen, halte ich Ihre Schätzung für angemessen.«
    Lakey hob die Schultern. Lob oder Kritik berührten ihn nur selten. »Mir wird wohler sein, wenn ich das Mittagsbesteck gesehen habe, Sir.«
    Bolitho lächelte. »Also gut.«
    Er drehte sich auf dem Absatz um und eilte aufs Achterdeck zurück, denn er wußte, Lakey würde bereit sein, sobald er benötigt wurde.
    »Also, Thomas, wir wenden zur halben Stunde und gehen auf Nordwestkurs. Das gibt uns Seeraum, wenn wir uns den Riffen nähern. Außerdem sind wir dann in besserer Position, um eine andere Insel anzulaufen, sollte der Wind umspringen.«
    Als ein Schiffsjunge das Halbstundenglas neben dem Kompaß umdrehte, hatten die Matrosen schon die Brassen besetzt und holten keuchend die großen Rahen der Fregatte herum.
    Die Tempes t gehorchte dem Ruder und wälzte sich schwerfällig auf den anderen Bug. Bolitho verfolgte genau, wie lange das Manöver dauerte. Trotz des schwachen Windes hatte er jeden verfügbaren Mann an Deck und in der Takelage eingesetzt, denn er hielt es für töricht, bei Routinemanövern Nachlässigkeiten und Flüchtigkeit zuzulassen. In der Schlacht, wenn der größte Teil der Besatzung an den Geschützen und mit Reparaturen beschäftigt war, mußte das Schiff von viel weniger Leuten bedient werden. Dennoch hatte die Tempes t soeben eher mit der gelassenen Würde eines Linienschiffs als mit der Behendigkeit einer Fregatte reagiert.
    Stets war die Gefahr groß, selbstzufrieden zu werden und den knochenbrechenden und undankbaren Geschütz- und Segel-drill unter Gefechtsbedingungen zu verschieben. Hier draußen, wo man manchmal monatelang kein anderes Kriegsschiff zu Gesicht bekam, fiel der nötige Exerziereifer schwer, besonders wenn man selbst ihn nur zu gern vergaß. Bolitho verfügte über eigene bittere Erfahrung. Als Kommandant der Undin e war er seinerzeit zum offenen Kampf mit einer starken französischen Fregatte gezwungen worden, der Argu s unter dem Befehl von Le Chaumareys, einem der erfahrensten und fähigsten Kommandanten des Admirals Suffren. Le Chaumareys verfügte über einen Kaperbrief des Eingeborenenherrschers Muljadi, war aber im besten Sinn des Wortes französischer Offizier geblieben. Er hatte Bolitho sogar davor gewarnt, es zur gleichen Zeit mit der Argus , mit Muljadis Piratenflotte und der lähmenden Inkompetenz der Regierungen am anderen Ende der Welt aufzunehmen. Doch konnte gerade die Machtprobe zwischen ihren beiden Schiffen über das Geschick eines großen Teils Indiens entscheiden.
    Wie jetzt auf der Tempest , war Bolitho mit einer bunt zusammengewürfelten Besatzung gesegnet, und alles, was er dem Franzosen und seiner gutgedrillten Mannschaft entgegenzusetzen hatte, waren Jugend und frische Ideen. Le Chaumareys hatte seine Heimat schon vor Jahren verlassen. Sein jetziges Kommando unter einer fremden Flagge sollte sein letztes sein, ehe er sich ehrenvoll nach seinem geliebten Frankreich zurückzog. Doch es waren gerade seine Vorliebe für Routine, sein Vertrauen zu bewährten Methoden und Manövern gewesen, die ihn den Sieg und das Leben gekostet hatten.* Bolitho fragte sich, wie lange es dauern würde, bis er zu selbstzufrieden oder zu erschöpft sein würde, einer wirklichen Herausforderung entgegenzutreten. Oder ob er auch künftig die Schwächen würde erkennen können, wenn kein anderer da war, um ihn darauf hinzuweisen.
    »Kurs Nordwest, Sir. Voll und bei.« Herrick wischte sich
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