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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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nett und hatte immer einen guten Tipp parat, wenn man mal nicht wusste, was man als Nächstes lesen sollte. Ein freundliches Kopfnicken und ein „Hallo Laura!“ kamen als Antwort, bevor die Bibliothekarin sich wieder ihrer Arbeit zuwandte.
    Langsam ging Laura die Reihen der Bücher entlang. Sie liebte ihren Geruch, ebenso wie die andächtige Stille, die immer in diesen hohen, weitläufigen Räumen herrschte und kam gern hierher. Seit sie Lesen gelernt hatte waren Bücher für sie mehr als nur etwas, in das man seine Nase stecken musste, weil der Lehrer es aufgab. Für sie waren die Figuren in Büchern Freunde, die sie mitnahmen auf abenteuerliche Reisen in andere, aufregende Welten. Manchmal, wenn sie mit einem Buch fertig war und den Deckel zuklappte, war sie regelrecht traurig, die neugewonnenen Freunde wieder verlassen zu müssen.
    Laura stöberte in den Regalen, strich die Buchrücken entlang, auf der Suche nach neuem Lesestoff. Nach einer neuen Welt, in die sie ihre Nase stecken konnte, um ihre eigene für eine Weile zu vergessen. Schließlich wurde sie bei den Jugendbüchern fündig, zog einen vielversprechenden Titel aus dem Regal, klemmte ihn unter den Arm und ging damit zu einer der Sitzgruppen, die es überall in der Bücherei gab. Gemütliche Sessel luden hier zum Lesen ein und Laura schnappte sich einen davon. Seufzend ließ sie sich hineinfallen, stellte ihre Tasche daneben ab und schlug ihr Buch auf. Tote Mädchen lügen nicht , hatte sie sich ausgesucht. Tote Mädchen kichern auch nicht , dachte sie im ersten Moment, als sie zu dem Buch griff. Anfangs fiel es ihr schwer, sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zurück, zum gerade Geschehenen. Sie wusste nicht, was eigentlich schlimmer war; dass Tobi sie auslachte, oder dass ihre beste Freundin auch noch mitgemacht hatte. Doch schon bald hatte die Geschichte sie völlig gefangen genommen und sie blickte erst viel später wieder auf, als ein älterer Mann sich im gegenüberliegenden Sessel niederließ. Kurz kreuzten sich ihre Blicke, bevor sie ihren wieder ins Buch lenkte. Gesehen hatte sie ihn schon Mal, als er ein paar kleineren Kindern Geschichten vorlas, und wusste, dass er „Opa Anton“ genannt wurde. Dabei wirkte er noch gar nicht so alt. Obwohl er eine kreisrunde Glatze hatte, schätzte sie ihn auf nicht wesentlich älter als ihren Vater. Zumindest war er noch nicht so faltig, wie sie es von einem richtigen Großvater erwarten würde. Aus dem Augenwinkel nahm Laura wahr, wie Opa Anton sie von oben bis unten musterte und sich dabei nervös umsah. Er hielt zwar eine Zeitung in der Hand, las aber nicht darin. Mehrfach räusperte er sich laut vernehmbar, was sie wieder aufblicken ließ.
    Einmal als sie hochsah nickte er, irgendwie bedeutungsvoll und richtungsweisend, hinüber zu den Regalen. Sie folgte seinem Blick, ließ ihren die langen Reihen voller Bücher entlangwandern. Ein einzelner Leser war gerade dabei, sein Buch zurück ins Regal zu stellen. Noch etwas weiter entfernt, am anderen Ende des Raumes, konnte sie Frau Stemmler sehen, die es sich in einem Sessel in der Nähe des Ausgangs bequem gemacht hatte und in einer Zeitschrift blätterte. Ansonsten, das fiel Laura nun auf, wirkte die Bibliothek im Augenblick ziemlich verlassen. Ein seltsames, ungutes Gefühl überkam sie. Was sollte der Scheiß?

Kapitel 3
    10. April 2013
     
    Wieder zu Hause schält sich Tatjana aus ihrem grauen Mantel, den sie sorgfältig an der Garderobe aufhängt. Danach will sie wie gewohnt, antrainierten und krampfhaft aufrecht erhaltenen Abläufen folgend, ihre Straßenschuhe gegen die Schlappen tauschen, die sie im Haus trägt. Die Schuhe sind nass und schmutzig. Ein wenig Schlamm klebt daran, von der Baustelle weiter vorn an der Straße und das Wasser, mit dem sich das Schuhwerk vollsog, als sie in eine Pfütze trat, bildet zu ihren Füßen eine neue.
    Einem plötzlichen Impuls folgend läuft sie los. Quer durchs Haus, die blankgewienerte Treppe hinauf, bis ins Zimmer ihrer Tochter. In dem ebenfalls aufgeräumten Mädchenzimmer wirft sie sich aufs Bett und kickt ihre Schuhe von den Füßen, sieht zu, wie sie auf dem schneeweißen Läufer in der Mitte des Zimmers landen und das schmutzige Wasser in ihn einsickert. Ihre feuchten Socken streift sie ebenfalls ab, lässt sie als unordentliches, nasses Häufchen vor dem Bett liegen.
    Tatjana vergräbt ihre Nase im Kopfkissen, atmet tief ein. Aber da ist nichts mehr von Laura. Kein Haar
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