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Fey 04: Die Nebelfestung

Fey 04: Die Nebelfestung

Titel: Fey 04: Die Nebelfestung
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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er Coulter besuchen, ohne daß es jemand wußte. Vielleicht existierte dieser Stein nur, damit er ihn benutzte.
    Er saß im Schneidersitz auf dem Teppich vor dem Kamin. Sein Vater würde nicht so bald zurückkehren, und der gleichmäßige Atem seiner Mutter verriet ihm, daß sie eingeschlafen war.
    Er hatte Zeit, um der Verbindung zu folgen.
    Mit geschlossenen Augen fand er die Verbindung und folgte ihr eilig, so wie er es schon zahllose Male getan hatte. Diesmal jedoch machte er, als er den Körper gefunden hatte, halt, bevor er in seine Augen trat.
    Hallo? rief er. Hallo?
    Er wollte sichergehen, daß er niemanden verdrängte.
    Hallo? rief er noch einmal.
    Dann hörte er eine Antwort. Sie war schwach, und es war keine Sprache, die er kannte. Nur ein Gefühl. Er folgte dem Gefühl, bis es ihn an eine winzige Stelle tief im Inneren dieses Körpers führte.
    Dort kauerte ein nicht ganz ausgebildeter Junge. Er verfügte nur über die Umrisse eines Körpers. Er hatte ein Gesicht, doch seine Züge waren undeutlich. Er wirkte eher wie die Zeichnung eines Kindes als ein richtiges Kind. Jedenfalls hätte Gabe das gedacht, wäre ihm nicht noch ein anderes Detail aufgefallen. Der unfertige Körper zitterte.
    Wer bist du? fragte Gabe.
    Die Antwort erreichte ihn nicht mit der Stimme des Kindes, sondern mit der Stimme mehrerer Leute, einiger Frauen und eines Mannes. Sebastian, sagten sie alle.
    Sebastian.
    Das kam ihm vertraut vor.
    (Du wirst ihm keinen gewöhnlichen Namen geben! Er ist ein Prinz aus dem Geschlecht des Schwarzen Königs. Und sein Name soll ihn als solchen ausweisen!)
    Die Stimme seiner Mutter. Seiner richtigen Mutter. Zwar verblassend, doch sie war mit all den anderen Stimmen im Kopf des Jungen vermengt.
    Der Junge sah auf. Offensichtlich hatte er den Namen aus seiner Erinnerung aufspringen gehört.
    Gabe ließ ihn an der Erinnerung an die Vertauschung teilhaben. Bist du der Stein?
    Als Antwort Sandte ihm der Junge das Bild einer Frau, halb Frau, halb Katze. Sie sprach mit einer anderen Frau und zeigte auf ihn, nannte ihn den Klumpen.
    Gabe verstand nur wenig von Wechselbalg-Magie. Er wußte, daß Golems kein eigenes Leben haben sollten. Wer bist du? fragte er abermals.
    Der unfertige Junge zeigte auf Gabe.
    Gabe schüttelte den Kopf. Ich bin Gabe.
    Der unfertige Junge schickte ihm eine Serie rascher Bilder. Die Bilder waren deutlich. Zuerst war Licht. Dann sah man Gabe auf dem Licht reiten, und dann war da ein kleiner Schatten in der Ecke, der von dem Licht lernte. Gabe verstand das alles, obwohl er nicht wußte, weshalb. Jedesmal, wenn er den Steinkörper besucht hatte, hatte er ein Stück von sich zurückgelassen. Der unfertige Junge hatte aus diesen Bruchstücken so gut er konnte eine eigene Persönlichkeit zusammengesetzt.
    Du bist ich, aber nicht ich, Sandte Gabe. Du hast andere Leute um dich.
    Der unfertige Junge lächelte. Er übermittelte mehr Bilder, die jedoch nicht in Licht, sondern in Wärme gehüllt waren. Zuerst Sandte er eines von ihrer Mutter, der Frau, die Gabe hatte sterben sehen. Das Bild war von einer schrecklichen, einsamen Traurigkeit erfüllt.
    Darauf folgte ein Bild von ihrer Schwester, dem kleinen Mädchen namens Arianna. Anschließend eins von ihrem Kindermädchen, das ihn im Arm hielt, mit ihm redete und ihn liebte. Und dann kam ein Bild von dem gelbhaarigen Mann, von dem Gabe wußte, daß es sein eigener Vater war. Die Bilder waren von mehr Liebe als die anderen erfüllt.
    Gabe streckte die Hand aus und berührte die Hand des unfertigen Jungen. Plötzlich verfügte der Junge über Sprache. Willst du, daß ich gehe? fragte der Junge. Soll ich gehen?
    Davor hatte er die ganze Zeit über Angst gehabt: daß Gabe seinen Körper ständig übernahm. In diesem Falle würde der Junge nicht mehr existieren.
    Nein, gab Gabe weiter. Du gehörst hierher.
    Der unfertige Junge grinste. Er konnte lächeln, und sein Lächeln war schön. Du läßt mich hier bleiben? Dann beantwortete er seine eigene Frage: Du läßt mich hier bleiben.
    Gabe nickte. Ich lasse dich nicht. Du gehörst hierher. Darf ich dich besuchen kommen? Tut mir leid, daß ich vorher nie gefragt habe. Ich wußte nicht, daß du da warst.
    Du darfst mich besuchen, sagte der unfertige Junge. Du bringst mir Freude. Du mir. Ich dir.
    In gewisser Hinsicht, vermutete Gabe, hatte er damit recht. Der unfertige Junge, Sebastian, lebte das Leben, für das Gabe geboren worden war. Gabe lebte jetzt sein eigenes Leben. Er wollte hier nicht mehr
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