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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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wirklich im Kampf benutzt worden waren, wie Stephan immer behauptete. Auf der Blauen Insel waren nicht viele Schlachten geschlagen worden, nicht einmal der Bauernaufstand war ein richtiger Krieg gewesen, wenn man den Abgesandten aus Nye glauben wollte, die ab und zu einen Besuch im Palast abstatteten. Nicholas vermutete, daß sich Stephan diese Geschichten ausgedacht hatte, damit er als Waffenmeister eine gewisse Berechtigung hatte. Wenn man es genau nahm, brauchte der König keinen Waffenmeister. Nicholas nahm nur deswegen Unterricht in der Waffenkunst, weil alles besser war, als tagaus, tagein bei den Auds zu sitzen.
    »Mach dir’s bequem«, sagte Stephan. »Trink einen Becher Met.«
    Warmer Met hörte sich verführerisch an. Nicholas legte seinen tropfnassen Mantel ab und hängte ihn an den Haken hinter der Tür. Dann schüttelte er sich wie ein Küchenhund das Wasser aus den langen Haaren. Stephan protestierte brummelnd, als ihn einige Tropfen trafen, und wischte sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Für junge Prinzen sollte es endlich einen Etikettenmeister geben«, murmelte er.
    »Entschuldige«, sagte Nicholas und grinste. Im Palast hätte er sich dergleichen niemals erlaubt: Jemand hätte es sehen und seinem Vater berichten können. Nicholas wurde den Erwartungen, die sein Vater in ihn setzte, niemals gerecht. Sein Vater wollte, daß ein Gelehrter aus ihm wurde, der alles über das Königreich wußte. Nicholas hingegen wollte reiten, Schwertkämpfe bestehen und die Frauen beeindrucken – auch wenn er noch gar keine kannte, die er hätte beeindrucken können.
    Stephan ging zum Kamin, nahm einen Becher aus Steingut von einem seitlich angebrachten Brett und tauchte ihn in den mit Met gefüllten Topf, der am Rande des Feuerplatzes köchelte. Dann wischte er den Becher mit einem Tuch trocken.
    Nicholas nahm ihn und trank einen Schluck. Die kochendheiße Flüssigkeit durchströmte ihn wärmend. Er mochte Stephans Met. Er war gerade süß genug, und Stephan fügte außerdem noch Butter hinzu, die er aus der Vorratskammer stibitzte. Sein Met war deshalb noch viel gehaltvoller als der Met des Königs.
    Stephan klappte sein Buch zu und setzte sich an den Tisch. Nachlässig schob er mit dem Fuß einen Stuhl zu Nicholas, den sein Schüler mit der freien Hand ergriff. Dann seufzte er tief auf. »Ich vermute, das heißt, daß wir jetzt nicht hinausgehen.«
    »Ich bin ein alter Mann«, sagte Stephan. »Ich muß ein wenig auf meine Gesundheit achten.«
    »Vielleicht können wir uns dann zumindest hier drinnen im Nahkampf üben. Ich bin immer noch nicht geschickt genug mit dem Dolch.«
    Stephan grinste und blickte sich im Zimmer um. »Ich hänge aber an meinem Eigentum.«
    Nicholas erwiderte das Grinsen nicht. Er war nicht ganz sicher, ob Stephan sich über seine Fortschritte lustig machte.
    »Du machst alles goldrichtig mit dem Dolch.« Stephan hatte seinen Arm auf das Buch gelegt und hielt seinen Becher fest. »Du bist jedem Zweikampf gewachsen.«
    »Sogar, wenn mein Gegner aus Nye stammt?«
    »Du kannst es mit jedem aufnehmen«, sagte Stephan im gleichen, feierlichen Tonfall.
    Von Nicholas’ Haarspitzen tropfte kaltes Wasser auf seine Handgelenke. Er setzte sich so zurecht, daß die Tropfen über seinen Rücken rannen. »Glaubst du wirklich, daß ich so gut bin?«
    »Ja, das glaube ich. Das einzige, was dir noch fehlt, ist Erfahrung.«
    »Großartig«, sagte Nicholas. Er nippte an seinem Becher. Er hatte nicht damit gerechnet, daß Stephan ihn so uneingeschränkt loben würde. Aber heute benahm Stephan sich irgendwie seltsam. »Dich bedrückt etwas, nicht wahr?«
    »Es ist das Wetter«, entgegnete Stephan. »Ich habe fast mein ganzes Leben in Jahn verbracht, aber einen solchen Sommerregen habe ich noch niemals erlebt.«
    Nicholas zuckte die Achseln. »Die Dinge verändern sich.«
    »Genau davor habe ich Angst«, murmelte Stephan.
    »Wie meinst du das?«
    Stephan schüttelte den Kopf. »Das sind nur die trübseligen Gedanken eines alten Mannes an verregneten Sommertagen. Sobald die Sonne scheint, bin ich wieder ganz der alte.«
    »Ich hoffe, das wird nicht mehr lange dauern«, sagte Nicholas. »Ich werde allmählich unruhig.«
    Stephan lächelte. Er stellte seinen Becher ab. An seinen durchtrainierten Armen traten die Muskeln hervor. »Wenn du mehr studieren würdest, wärst du bestimmt ruhiger.«
    Nicholas verzog das Gesicht. Er blickte erst auf das einzige, fest verschlossene Fenster im Raum und sah dann zum
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