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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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sich. »Jewel.« Er küßte sie zärtlich. »Ne sneto. Ne sneto.«
    Sie strich mit zitternder Hand über seine Wange. Diese Nacht war anders, als sie sich vorgestellt hatte.
    Dann war plötzlich alles wie immer. Jewel war zwei Stufen hinuntergerutscht, ihre Stirn schmerzte. Ihre Kehle war ausgetrocknet. Eine Vision. So intensiv, daß sie einen kurzen Augenblick lang jegliches Gefühl für die Gegenwart verloren hatte.
    Ihr Herz pochte heftig gegen die Rippen. Noch niemals hatte sie ihren Vater so entsetzt gesehen. Und in ihrem ganzen Leben hatte sie noch niemand gesehen, der diesem Fremden glich. Er war kein Fey, daran ließen seine blasse Haut, die waagerechten Augenbrauen und die blauen Augen keinen Zweifel, und aus Nye stammte er ebenfalls nicht, dazu war er zu breit gebaut und sah viel zu gesund aus. Dennoch kannte er sie offenbar gut genug, um sie liebevoll in seine Arme zu betten.
    Die Eingangstür der Bank wurde aufgerissen, und Jewels Vater stürmte heraus. Sein schwarzer Umhang wirbelte um seine Beine. Er war ein besonders hochgewachsener Fey und wußte seine Körpergröße geschickt für dramatische Effekte einzusetzen. Jetzt schien er noch größer zu sein als sonst.
    Jewel hatte ihn bis jetzt nur im Kampfgetümmel so wütend gesehen.
    Sie schluckte und wünschte verzweifelt, sie könnte ihren plötzlichen Durst stillen. Langsam erhob sie sich, etwas ängstlich, daß der jähe Schwindel, den die Vision ausgelöst hatte, sich womöglich ein zweites Mal einstellen würde.
    »Er hat nein gesagt, nicht wahr?« fragte sie. Sie mußte aufblicken, um in sein Gesicht sehen zu können.
    »Er sagt ja.« Ihr Vater stieß die Worte so heftig hervor, als machten sie ihn zornig.
    Sie runzelte überrascht die Stirn. »Warum bist du dann wütend? Du willst die Blaue Insel doch erobern.«
    Ihr Vater sah sie an. Seine Augen blitzten, die Augenbrauen hatte er beinahe bis zum Haaransatz hochgezogen. »Er hat gesagt, ich beginge einen schweren Fehler. Ich zöge nur aus reiner Kampflust in diese Schlacht, nicht, weil ich das Reich ausdehnen wollte. Er sagte, es sei am besten, wenn ich gleich auf dem Schlachtfeld bliebe, damit der Thron des Schwarzen Königs von Blutgier verschont bleibt.«
    Harte Worte. Zu hart. Der Streit zwischen den beiden Männern mußte sehr heftig gewesen sein. »Er hat im Zorn gesprochen«, sagte Jewel.
    »Er hat geglaubt, was er sagte.« Vier Stufen auf einmal nehmend stürmte ihr Vater die Treppe hinunter und blieb neben Jewel stehen, so daß sie auf gleicher Höhe waren. »Ganz gleich, was er sagt, ich werde dich jedenfalls mitnehmen.«
    »Was ist mit meinen Brüdern?« fragte Jewel. Das letzte Mal hatte sie ihren Vater nur begleiten dürfen, um auf ihre Brüder aufzupassen.
    »Sie sind zu jung für diese Fahrt. Komm heute nacht in mein Lager und bring die Hüter mit. Wir müssen den Feldzug planen.«
    Er wandte ihr den Rücken zu und schritt die restlichen Stufen hinab. Dann setzte er seinen Weg auf der Straße fort, und die Nye wichen ihm aus, als er mit flatterndem Umhang an ihnen vorübereilte.
    Jewel stützte sich mit einer Hand gegen die Mauer. Der Schwindel war verflogen, aber tief in ihrem Inneren breitete sich ein Gefühl der Unruhe und Besorgnis aus. Sie hatte ihre Vision gehabt, nachdem ihr Vater beschlossen hatte, die Blaue Insel zu erobern. Gab es zwischen diesen beiden Ereignissen einen Zusammenhang?
    Sie schüttelte den Kopf. Über Visionen stellte man besser keine Spekulationen an, soviel sollte sie doch wissen. Nur Leitführer hatten Visionen. Sie sollte glücklich sein, daß sie überhaupt eine so intensive Vision gehabt hatte. Sie schwächte ihre Befürchtung, niemals genug Kraft zu haben, um Schwarze Königin zu werden, ein wenig ab.
    Plötzlich durchströmte sie ein seltsames Gefühl der Freude. Ihr Vater würde sie auf ihren ersten richtigen Feldzug mitnehmen. Nicht als Soldatin und Kindermädchen, sondern als Anführerin, die ihm bei der Planung half.
    Ihr Großvater hatte viel über das Seßhaftwerden geredet, aber in einem täuschte er sich ganz gewiß: Die Kampflust lag auch ihr im Blut. Die Unruhe, die sie seit sechs Monaten spürte, würde jetzt ein sinnvolles Ventil finden.
    Sie stieß sich von der feuchten Mauer ab. Wieder tauchte das fremde Gesicht aus ihrer Vision vor ihr auf.
    »Orma lii«, flüsterte sie, ohne zu wissen, was es bedeutete. Sie würde sich ihrem Schicksal so stellen, wie es sich für eine Fey ziemte: in voller Kampfausrüstung und mit gezücktem
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